In unserer Reihe „Webgeext und zoomgedreht“ berichten Lehrende der HHU von ihren Erfahrungen in der digitalen Lehre. Für den dritten Teil haben wir uns digital mit Dr. Amrei Bahr vom Institut für Philosophie getroffen, die in den beiden vergangenen Semestern mit verschiedenen kollaborativen Formaten gearbeitet hat. Neben inhaltlichen Fragestellungen – etwa zu philosophischen Perspektiven auf die Corona-Pandemie – stehen in ihrer Lehre auch Methoden der Wissenschaftskommunikation im Fokus.
Amrei Bahr ist online auf folgenden Kanälen zu finden:
Twitter: @AmreiBahr
Webseite: https://artefaktphilosophie.wordpress.com
Engagement für bessere Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft: https://95vswisszeitvg.wordpress.com
Zwei digitale Semester liegen hinter Dir – was war Dir für Deine Lehrveranstaltungen wichtig? Worauf hast Du bei der Umstellung besonders geachtet?
Amrei Bahr: Zwei Dinge wollte ich insbesondere ermöglichen: Kollaboratives Lernen und einen Austausch unter den Studierenden, der teilweise in geschützten Räumen ohne mein Beisein stattfindet. Mit kollaborativen Lernformaten hatte ich in der Präsenzlehre bereits gute Erfahrungen gemacht (etwa in Form von Peer-Feedback-Verfahren, bei denen sich Studierende gegenseitig Feedbacks zu Essays geben). Und da die geschützten Räume, die sonst durch das gemeinsame Kaffeetrinken oder den Mensabesuch zwischen den Lehrveranstaltungen gewährleistet sind, im Digitalen nicht ohne Weiteres vorhanden sind, brauchte es hier ebenfalls eine Lösung. Die sah so aus, dass die Studierenden zunächst ohne mein Beisein in festen Teams 45min lang (über eine Plattform ihrer Wahl, für jedes Team stand zudem ein Rocket.Chat-Raum zu Verfügung) anhand von Leitfragen über die Seminartexte diskutiert und ihre Antworten anschließend in ein Forum gepostet haben. Dort haben sie sich dann weitere 45min mit einem anderen Team (manchmal auch mit zweien) über ihre Diskussionsergebnisse ausgetauscht. Ich habe sie dort während der ganzen Sitzung und bei Rückfragen inhaltlicher oder organisatorischer Art über entsprechende Foren betreut.
Damit Lernprozesse digital stattfinden können, ist Feedback für die Studierenden ein wichtiges Element – wie hast Du das für Deine Veranstaltungen umgesetzt?
Amrei Bahr: Durch die Arbeit mit den Foren war das Seminar sehr schreib- und leseintensiv. Deshalb war mir daran gelegen, das Feedback nicht auch noch in schriftlicher Form zu geben. Ich habe mich stattdessen für Sprachnachrichten entschieden, die ich mit dem Smartphone aufgezeichnet und ins Forum hochgeladen habe. Solche Nachrichten haben auch den Vorteil, dass die Zuhörenden beim Anhören nicht vor dem Laptop sitzen müssen, sondern sie sich z.B. beim Spaziergang oder während des Geschirrspülens anhören können. Das war hoffentlich eine Erleichterung, wir sitzen derzeit ja auch so schon viel vor Bildschirmen herum.
Was war in Deiner Online-Lehre eine besondere Herausforderung?
Amrei Bahr: In beiden Coronasemestern hatte ich jeweils eine für Seminare recht große Zahl von Studierenden in meinen Veranstaltungen: Es waren pro Seminar 50 Teilnehmer*innen (wobei sich jeweils doppelt so viele angemeldet hatten). Um die Teams arbeitsfähig zu halten, hatte jedes Team maximal sieben Mitglieder – dementsprechend habe ich pro Woche ein Sprachnachrichten-Feedback zu je drei Forendiskussionen gegeben. Allein das Aufnehmen der ca. zehnminütigen Nachrichten hat einiges an Zeit gefressen, für die Lektüre der Diskussionen und Vorbereitung der Nachrichten fiel mindestens die gleiche Zeit an. Hinzu kam, dass ich in ILIAS bzw. Moodle jede Woche aufs Neue eine digitale Infrastruktur für jede Sitzung erstellen musste (Foren und Threads anlegen usw.). Zur Vorbereitung zählte außerdem die inhaltliche Vorarbeit durch das Formulieren geeigneter Leitfragen. Aufgrund der großen Zahl von Studierenden sind derzeit auch die Betreuungsaufgaben für Hausarbeiten etc. überdurchschnittlich umfangreich, zumal Studieren unter Pandemiebedingungen – etwa mit dem erschwerten Zugriff auf Literatur und auch den psychischen Belastungen, die diese Situation für uns alle mit sich bringt – eine große Herausforderung ist, bei deren Bewältigung viele Studierende verstärkt unsere Unterstützung erbitten. Insgesamt bedeutet die digitale Lehre trotz inzwischen etablierter erster Routinen deshalb im Vergleich zur Präsenzlehre nach wie vor einen gravierenden Mehraufwand. Gerade für Lehrende mit befristeten Arbeitsverträgen (zu denen auch ich gehöre), die zur Wahrung ihrer Karrierechancen auch weiterhin gezwungen sind, in Forschung, Drittmittelakquise etc. beständig Ergebnisse abzuliefern und Erfolge zu verzeichnen, spitzt sich durch diese Situation die ohnehin angespannte Lage weiter zu. (Ich selbst kann von Glück sagen, dass ich nicht noch durch Kita- und Schulschließungen bedingte zusätzliche Sorgearbeit leisten muss wie dieser Tage viele Kolleg*innen.)
Zuletzt ein Ausblick: Du berichtest sehr aktiv über Deine Forschung und Lehre auf Twitter unter @AmreiBahr. Dabei sieht man auch, dass Dir inter- und transdisziplinäre Forschungsansätze sehr wichtig sind. Worauf können sich die Studierenden und interessierte Leser*innen hier im Sommersemester freuen?
Amrei Bahr: Im Sommersemester biete ich gemeinsam mit meinem Kollegen Dr. Tobias Winnerling aus dem Institut für Geschichtswissenschaften ein Seminar zum Thema „Kausalität in der Geschicht(stheori)e“ an, auf das ich mich schon sehr freue. Wir werden das Thema nicht nur interdisziplinär beleuchten, sondern es gemeinsam mit den Teilnehmer*innen auch zum Gegenstand von Wissenschaftskommunikation machen: Die Teilnehmer*innen werden Argumente aus den Seminartexten rekonstruieren und über einen eigens dafür aufgesetzten Seminaraccount in Form von Twitter-Threads einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich machen. Ich bin gespannt, wie das wird – mit der Vermittlung von Fähigkeiten der Wissenschaftskommunikation in der Lehre habe ich gemeinsam mit Dr. Anna Soßdorf (Institut für Sozialwissenschaften) und Lukas Gallach (ebenfalls Institut für Philosophie) im über den eLearning-Förderfonds der HHU geförderten Seminar „Wissenschaftskommunikation im digitalen Raum – Studierende bloggen zu Teilhabe, Partizipation und Zugang“ schon sehr positive Erfahrungen machen können.
Die Fragen stellte Peter Bernardi, Amrei Bahr antwortete per Mail.
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