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Lernraum Quellenkritik / Erweiterung des ILIAS-Lernraums Alte Geschichte


Ziele

Das Projekt Lernraum Quellenkritik ist mit dem Ziel konzipiert worden, die Lehrenden in Teilen ihrer Lehrtätigkeit zu entlasten und den Studierenden die Möglichkeit zu geben, auch autodidaktisch eine der Kernkompetenzen wissenschaftlichen Arbeitens zu erlernen.

Insbesondere in Aufbau- und Vertiefungsseminaren gestaltet sich die Lehre dahingehend problematisch, dass die Kompetenzen, die in der Präsenzlehre vermittelt werden können, begrenzt sind. Wenn am Ende eines Aufbau- und Vertiefungsseminares das Verfassen einer wissenschaftlichen Hausarbeit steht, müssen für diese Aufgabe einige Kompetenzen kennengelernt und erlernt werden. Dazu gehört die Entwicklung einer Fragestellung, das Recherchieren und Lesen von Literatur, das Konstruieren einer Struktur mithilfe der Fragestellung und der konsultierten Literatur, die abschließend in einer wissenschaftlich angemessenen Form ausformuliert wird. In einem Seminar kommt zu dieser Vielzahl von zu erlernenden Kompetenzen auch noch historischer Inhalt. In der begrenzten Zeit, die dem Lehrende in der Präsenzveranstaltung zur Verfügung steht, ist es nachvollziehbar, dass der eine oder andere dieser Punkte nicht ausführlich behandelt werden kann.

Das Schaffen einer eLearning-Plattform, die sich mit der Quellenkritik befasst, soll die Vermittlungsprobleme des Lehrenden verringern. Bei der Quellenkritik handelt es sich um einen Bestandteil der Lesekompetenz, auf die in der Alte Geschichte besonders Wert gelegt wird, weshalb es sinnvoll ist, dem Studierenden hier eine Möglichkeit zu geben diese selbstständig einzuüben.

Der Lernraum Quellenkritik kann als begleitendes Hilfsmittel in der Lehre verwendet werden, indem der Lehrende auf die Möglichkeit der Nutzung des Lernraums verweist. Auch in der Zeit nach der Präsenzlehre, wenn die Studierenden nicht regelmäßig auf die Expertise der Lehrenden zurückgreifen können, kann der Lernraum bei der Erstellung einer Hausarbeit unterstützten. Ein Punkt, der insbesondere für TeilnehmerInnen von Aufbauseminaren beim Erstellen der ersten Hausarbeit interessant ist.

Darüber hinaus soll sich der Lernraum auch für das Selbststudium eignen. Damit richtet sich das Angebot auch an fortgeschrittene Studierende, die sich, beispielsweise aus anderen Bereichen der Geschichte kommend, mit den Eigenheiten althistorischer Quellenkritik vertraut machen möchten. Potentiell richtet sich dieser Lernraum somit an alle Bachelor- und Masterstudierenden der Alten Geschichte ab der Aufbauseminarphase und ist an keine spezifische Veranstaltung gekoppelt.

Umsetzung

Der Lernraum Quellenkritik ist im Learning-Management-Systems Ilias eingerichtet worden, dessen organisatorische und interaktive Möglichkeiten dafür geeignet sind, die Quellenkritik so aufzuarbeiten, dass sich autodidaktisch mit ihr auseinandergesetzt werden kann. Der Lernraum ist dabei derart gestaltet, dass die User in mehreren Schritten an ein selbstständiges Interpretieren von Quellen herangeführt werden. Zunächst hat der Nutzer die Möglichkeit mithilfe eines eigens für diesen Lernraum erstellten Leitfadens eine grundlegende Herangehensweise an die Quellenkritik kennenzulernen. Die Erstellung eines solchen Leitfadens ist deshalb essentiell, da das Bearbeiten, Analysieren und Interpretieren von Quellen ein Prozess ist, der den Studierenden in seiner Gesamtheit selten explizit gemacht wird. Besonders vermeintlich simple vorbereitende Schritte (beispielsweise Kontextualisierung und Informieren) werden häufig unzureichend oder gar nicht erklärt (im Unterricht oder der Forschungsliteratur), sondern vorausgesetzt. In einer Umgebung, die sich zum autodidaktischen Lernen eignen soll, ist es deshalb wichtig einen methodischen Leitfaden zu entwickeln, der dem unerfahrenen Studierenden in kleinen verständlichen Schritten zur Quelleninterpretation hinführt. Der Leitfaden dient nicht nur als Richtlinie und Orientierungshilfe bei der Erstellung der Musterinterpretationen und Geführten Interpretationen, sondern erfüllt diesen Zweck auch für die Studierenden bei der Bearbeitung eigener Quellen. Dieser Leitfaden steht den Nutzern als Download zu Verfügung.

Anschließend können die Nutzer Musterinterpretationen konsultieren. Dabei handelt es sich um ein- bis dreiseitige literarische Quellenabschnitte der griechischen und römischen Antike, insbesondere zu militärischen und politischen Themen, die interpretiert worden sind. Methodische Grundlage dieser Interpretationen ist der Leitfaden. Die Interpretationen beschränken sich dabei nicht auf eine schriftliche Analyse, sondern fußt auf einer visuellen Aufarbeitung des Quellentextes, wie sie mit Stift und Papier erstellt werden könnte. Diese visuelle Herangehensweise ist eingängiger als eine rein schriftliche Auseinandersetzung.

Im letzten Abschnitt des Lernraums Quellenkritik kann der Nutzer mithilfe Geführter Interpretationen aktiv Quellenkritik üben. Geführte Interpretationen sind Tests, die mit den Assessment-Möglichkeiten von Ilias erstellt worden sind. Dabei liest der Nutzer zunächst eine Quellenpassage, die er anschließend durch die Beantwortung von Testfragen analysiert und interpretiert. Dieser Gamification-Ansatz bietet die Möglichkeit, den Leitfaden, der auch die Grundlage der Geführten Interpretation ist, nicht nur – wie bei den Musterinterpretationen –  nachzuvollziehen, sondern ihn auch aktiv zu nutzen. Nachteil dieses Ansatzes ist, dass die Nutzer durch die vorgefertigten Antwortmöglichkeiten bei den Fragen in ihren Interpretationsmöglichkeiten eingeschränkt werden. Allerdings stellt dieser dieses Vorgehen die einzige Möglichkeit einer Automatisierbarkeit dar, was eine Grundvoraussetzung des Projekts darstellt.

Ergebnisse

Die Umsetzung des Projekts war auf mehreren Ebenen problematisch. Einerseits erwies sich die technische Umsetzung als Herausforderung. Die Quellenarbeit und -kritik ist ein Prozess, der am besten durch das analoge Arbeiten verständlich wird. Notizen und Markierungen auf gedrucktem Papier machen die verschiedenen Aspekte und Ebenen einer Quelle sichtbar und verständlich, wie es sonst nur schwer möglich ist. Diese Form von intuitivem Arbeiten lässt sich nur bedingt in das digitale Umfeld von Ilias übertragen, da dort kein freies Arbeiten an den Quellenausschnitten möglich ist. Für die Geführten Interpretationen ist diese Einschränkung schwerwiegender als für die Musterinterpretationen. Die Form einer testartigen Abfrage stellte dabei einen umsetzbaren Kompromiss dar, der es den Studierenden in eingeschränkter Form ermöglicht autodidaktisch mit den Quellen zu arbeiten.

Andererseits wird der übergeordnete und unspezifische Charakter des Lernraums teilweise als Problem wahrgenommen. Hier ist es auf zwei ineinandergreifenden Ebenen schwierig die Studierenden vom Nutzen dieses Lernwerkzeugs zu überzeugen. Auf der einen Seite ist es schwierig sich eingängig mit Quellen, die keinen thematischen oder inhaltlichen Bezug zur eigenen Aufgabe (beispielsweise dem Erstellen einer Hausarbeit) aufweisen, auseinanderzusetzen, und auf diese Weise methodisches Wissen über die Quellenkritik zu erlangen. Auf der anderen Seite ist es schwierig, die aus den Musterinterpretationen und den Geführten Interpretationen gewonnenen Informationen auf eine Metaebene zu abstrahieren, um sie dann auf eine eigene Quelle übertragen zu können. Gewünscht sind hier Interpretationen mit einem stärkeren thematischen Bezug zur jeweiligen Veranstaltung, in der der Lernraum Quellenkritik vorgeschlagen wird. Einschränkend muss hier festgehalten werden, dass sich diese Erkenntnisse aus der Arbeit mit einer kleinen Zahl an Studierenden aus einer Übung stützt und aus dem Austausch mit anderen Lehrenden.

Die kontinuierliche Vergrößerung der Anzahl an Musterinterpretationen und Geführten Interpretation, sowie ein engagiertes Bewerben des Lernraums in den Lehrveranstaltungen, dürfte helfen, dieses Problem zu verkleinern.

 

Verantwortlichkeit: