Gerling 2024-I
Didaktik des Literaturübersetzens mit TEI
Projektleitung: Prof. Dr. Vera Elisabeth Gerling
Die HHU ist eine der wenigen Universitäten, an denen das Übersetzen von Literatur gelehrt wird. Während es etablierte Lehrwerke zum Übersetzen im Allgemeinen gibt, finden sich zum Literaturübersetzen kaum didaktische Materialien. Dies liegt u.a. darin begründet, dass hierfür kein Regelwerk entwickelt werden kann, denn in diesem Bereich ist jeder Text anders und Entscheidungen können immer nur vom Einzeltext ausgehend getroffen werden. Im Sinne der von Kwame Anthony Appiah bereits 1993 angeregten „thick translation“ ist bei literarischen Texten ein umfassendes Erfassen und Kontextualisieren von Texten notwendig, um zu einer adäquaten Übersetzung zu gelangen. Im Projekt soll versucht werden, ausgewählte Textauszüge (Ausgangstext und Übersetzung) mit dem Textauszeichnungssystem TEI (Text Encoding Initiative) so zu kodieren, dass die Komplexität von Textanalyse und Übersetzungsentscheidungen über die dort eingefügten Kommentare nachvollzogen werden kann. Im Anschluss soll getestet und evaluiert werden, wie dies in der Lehre einsetzbar ist. Dazu werden die Materialien in Masterseminaren mit dem Titel „Übersetzen literarischer Texte, Spanisch-Deutsch“ eingesetzt.
In einem ersten Schritt soll ein Auszug aus einem Ausgangtext (Original) umfassend kommentiert werden. Dabei werden sowohl Verständnisschwierigkeiten herausgestellt (semantische Ebene), als auch auf inner- und außertextliche Bezüge verwiesen (Kontextebene) und spezifische ästhetische Merkmale erläutert. In den Kommentaren werden auch Recherchemöglichkeiten und Hilfsmittel (Wörterbücher, online Recherche, maschinelle Übersetzungstools und Large Language Models) für die Darstellung möglicher Lösungswege eingebracht. In einem zweiten Schritt wird anhand der Übersetzung eines Berufsübersetzers aufgezeigt, welche Lösungsstrategien hier gewählt wurden (Wortwahl, Kontextualisierung und Textästhetik).
Wenn sich die Kodierung per TEI bewährt, soll anhand dieser Expertise ein umfangreicheres Projekt entstehen, bei dem gemeinsam mit Dr. Belén Santana von der Universität Salamanca im Sprachenpaar Spanisch-Deutsch/DeutschSpanisch eine größere Auswahl an Texten mit TEI kodiert wird, um daraus ein Korpus an Lernmaterialien für das Übersetzen literarischer Texte zu erarbeiten, das nach entsprechender Evaluation perspektivisch auch als OER zur Verfügung gestellt werden kann. Im Sinne der europäischen Sprachenvielfalt ist auch die spätere Erweiterung auf andere Sprachen denkbar und somit auch die Kooperation mit anderen europäischen Universitäten.