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YOUniversity - Studentische Online-Partizipation zur Mitgestaltung von Seminarinhalten an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

 

Ausgangslage

Wie können Studierende ausgewählte Seminarinhalte mitgestalten? YOUniversity ist ein Online-Beteiligungsprojekt, das seit dem Wintersemester 2015/16 an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf durchgeführt wird. Das Projekt wird von Dr. Tobias Escher sowie Marco Wähner (Düsseldorfer Institut für Internet und Demokratie) entwickelt und betreut. Mittels einer Online-Plattform können Studierende ausgewählte Inhalte ihrer Seminare mitgestalten und mitbestimmen. Ziel des Verfahrens ist die kooperative Erarbeitung eines Seminarplans. Während bisherige Ansätze - beispielsweise Blended-eLearning-Konzepte - eher zur Individualisierung des Lernens führen, setzt YOUniversity auf Kooperation und Kollaboration der Studierenden. Dabei bietet YOUniversity ein Konzept an, das kooperative Potential systematisch und unter didaktischen Aspekten umzusetzen.

Im proof of concept konnten wichtige Erkenntnisse gesammelt werden, unter welchen Voraussetzungen ein universitäres Beteiligungsinstrument funktioniert (weitere Informationen siehe Förderungsrunde 2016 I und II). Die größte Herausforderung stellt die Aktivierung der Studierenden dar, denn allein die Möglichkeit zur Mitbestimmung ist kein hinreichendes Motiv zur Partizipation (vgl. Kubicek et al.: 2011). Ziel der Abschlussfinanzierung war, die bisherigen Erkenntnisse aus den Förderungsrunden systematisch zu überprüfen und in einem praxisnahen Leitfaden der partizipativen Seminargestaltung zusammenzufassen.

Ziele

Für die Förderphase hatte das Projekt folgende fünf Vorhaben zum Ziel, die im Anschluss ausführlicher beschrieben werden:

1. Überprüfung der bisherigen Projektziele und -erkenntnisse mittels teilstandardisierten Fokusgruppen mit Studierenden und Dozierenden

2. Anforderungskriterien sowie Auswahl einer aktuellen Partizipationssoftware durch eine detaillierte Systemanalyse

3. Erstellung des Konzeptpapiers „Online-Partizipation im universitären Kontext“ zur Verstetigung bisheriger Erkenntnisse sowie als detaillierter Leitfaden für interessierte Dozierende, die ein Beteiligungsprojekt in Ihrem Seminar einsetzen möchten.

4. Praxiseinsatz in zwei unterschiedlichen Seminaren der philosophischen Fakultät zur Überprüfung der bisherigen Beteiligungsformate

5. Verstetigung und Vernetzung mit relevanten Stakeholdern als Vorbereitung einer mittelfristigen Etablierung des Beteiligungsinstruments

Umsetzung

Die Durchführung des Projektabschlusses beinhaltet demnach folgende Schritte:

1. Überprüfung der bisherigen Projektziele und -erkenntnisse mittels teilstandardisierten Fokusgruppen mit Studierenden und Dozierenden

Die Konzeptualisierung basiert auf teilstandardisierten Gruppeninterviews, um die bisherigen Erkenntnisse zu validieren und die Prozessgestaltung zielgruppengerecht auszurichten. Die relevanten Ergebnisse aus der Auswertung lauten:

- Online-Plattform als gemeinsames Lehr-und Lernumfeld erarbeiten
- Relevanz des Partizipationsverfahrens durch konkrete Zielsetzung herstellen
- Verbindlichkeit des Verfahrens herstellen

Zur systematischen Überprüfung der bisherigen Erkenntnisse wurden je Fokusgruppen mit Studierenden und Dozierenden durchgeführt. Studierende nehmen dabei einen Mangel bei der Möglichkeit zur Mitsprache bei der Seminargestaltung wahr, was bisherige Ergebnisse bei der Nachbefragung der Teilnehmenden widerspiegelt. Wichtig für Studierende ist weiterhin, dass die Relevanz des Verfahrens seitens der Dozierenden hergestellt wird. Nicht nur als Ausgleich zur inhaltlichen Beitragsarbeit auf der Plattform, sondern auch als Verbindlichkeit hinsichtlich der Übernahme von Themen, die von Studierenden vorgeschlagen werden. Auch Dozierende sehen in der Herstellung der Verbindlichkeit einen relevanten Faktor für einen erfolgreichen Beteiligungsprozess. Aus ihrer Perspektive sollte idealtypisch mit einer Online-Beteiligungsplattform ein gemeinsames Lehrumfeld geschaffen werden. Positiv sehen beide Gruppen, dass mittels Online-Plattform die Hemmschwelle für eine Online-Diskussion bei Studierenden sinken könnte. Negativ wird insbesondere der zeitliche Mehraufwand bewertet, der aus Sicht der Studierenden kompensiert werden müsste. Für Dozierende sollte Online-Beteiligung nicht dazu führen das Studierende beispielsweise die Seminarlektüre vernachlässigen. Auch der zeitliche Aufwand bei der Implementierung einer Beteiligungsplattform muss für Dozierende möglichst gering und bestenfalls mit externer Unterstützung erfolgen.

2. Systemanalyse

Design Matters (vgl. Esau et al.: 2017)! Gemeinsam mit dem Düsseldorfer Institut für Internet und Demokratie (DIID) wurden für die Systemanalyse über 300 potentielle Partizipationsplattformen gesichtet und mittels Anforderungsprofil bewertet. Abschließend wurde CONSUL als System für den YOUniversity-Einsatz ausgewählt und als Testinstanz installiert. Zukünftig kann die Plattform als digitale Infrastruktur eines Beteiligungsverfahrens eingesetzt werden, das finale Konzept ist allerdings System unspezifisch. Beispiele für die Anforderungskriterien an eine Partizipationsplattform lauten:

Beteiligungsfunktion
Kriterium: Auf der Plattform können Beiträge geschrieben und bewertet (gefällt mir/gefällt mir nicht, 5-Punkte-System etc.) werden.

Registrierung
Kriterium: Bei dem System handelt es sich um ein Account-basiertes Forum.

Webinterface
Kriterium: Die Plattform basiert auf einer Webanwendung und kann über einen Browser verwendet werden (also keine App etc.)

Open-Source
Kriterium: Die Plattform sollte unter einer Open Source Lizenz veröffentlich worden sein.

3.  Konzeptpapier „Online-Partizipation im universitären Kontext“ zur Verstetigung bisheriger Erkenntnisse sowie als detaillierter Leitfaden

Das Konzeptpapier richtet sich in erster Linie fakultätsübergreifend an Dozierende, die Studierende in die Seminarplanung und -gestaltung mittels Online-Partizipation einbeziehen möchten. Das Ziel des Leitfadens ist es, interessierten Beteiligten ein anwendungsorientiertes Konzept vorzulegen, um solche Verfahren eigenständig durchzuführen. Darüber hinaus stellen Studierende selbstredend die relevante Zielgruppe dar, die mit YOUniversity die Möglichkeit erhalten, eigene Ideen und Vorstellungen in die Seminarinhalte einfließen zu lassen.

Der Leitfaden diskutiert dazu Rahmenbedingungen der Verfahren, benennt konkrete Maßnahmen zur Vorbereitung und Durchführung und bietet differenzierte Handlungsszenarien für die Umsetzung erfolgreicher studentischer Online-Partizipation, die in bestehende Strukturen integriert werden können. Im Fokus stehen hierbei Prozesse, die Studierenden ermöglichen, eigene Ideen und Vorschläge einzureichen. Dazu wird ein Partizipationsinstrument zur Seminarkonzeption sowie zur Studierendeninteraktion vorgestellt. Der Leitfaden berücksichtigt u.a.:

- Formulierung didaktischer Lernziele
- Definition von Rahmenbedingungen
- Konkrete Handlungsszenarien mittels Beteiligungsfunktionen, z.B. Kooperation oder
  Agenda-Setting
- Kriterien erfolgreicher Online-Partizipation

4. Praxiseinsatz während der Konzeptualisierung

Während der Förderungsrunde wurde YOUniversity in zwei Seminaren eingesetzt, um Erkenntnisse aus der Konzeptualisierung im Praxiseinsatz zu testen. Dazu zählen der Einsatz in den Seminaren „Political Action“ (Leitung Dr. Bastian Rottinghaus, SoSe 2017, Institut für Sozialwissenschaften) sowie „Von der Residenzstadt zur Großstadt. Die Stadtentwicklung Düsseldorfs als digitale Stadtführung für das Smartphone“ (Jan Niko Kirschbaum, WiSe 2017/18, Institut für Neuere Geschichte). Die Darstellung der Aktivität der Studierenden erfolgt in Tabelle 1.

Im Seminar „Political Action“ war das Ziel des Beteiligungsverfahrens die Erarbeitung eines Themenvorschlags. Als Themenrahmen fungierte die vom Dozierenden bereitgestellte Pflichtlektüre. Zunächst veröffentlichten die Studierenden ihren individuellen Vorschlag, der anschließend von KommilitonenInnen kommentiert und final bewertet werden konnte. Insgesamt wurden von den Studierenden acht Vorschläge veröffentlich, sodass etwa die Hälfte der SeminarteilnehmerInnen die Möglichkeit zur Mitgestaltung ergriff. Innerhalb der Bewertungsphase wurden die Vorschläge 35 Mal bewertet. Keiner der Vorschläge wurde kommentiert, was den vorherigen Erkenntnissen des spezifischen Beteiligungsformats der „Themenvorschläge“ entspricht (weitere Informationen zu den Beteiligungsformaten siehe vergangene Projektberichte). Zwar war die Rückmeldungen zum Beteiligungsprojekt der Studierenden durchweg positiv, aber weiterhin wird der zeitliche Aufwand auf der Plattform negativ betrachtet.

Im Wintersemester 2017/18 wurde YOUniversity im Seminar „Von der Residenzstadt zur Großstadt. Die Stadtentwicklung Düsseldorfs als digitale Stadtführung für das Smartphone“ als Interaktionsplattform genutzt, um kooperativ eine digitale Stadtführung der Historia App by HHU zu planen. Versuchsweise wurde eine Gesamtinstanz für die Studierenden installiert, das heißt die Teilnehmenden hatten unterschiedliche Bereiche mit verschiedenen Beteiligungsfunktionen für spezifische Phasen der Projektplanung zur Verfügung. Technisch konnte dieser Anspruch nicht in Gänze erfüllt werden. So gab es während den Beteiligungsphasen beispielsweise Probleme bei der Registrierung. Auch wurde von den Studierenden Kritik hinsichtlich des Aufbaus der Plattform geäußert, die in die anschließende Systemevaluation einfloss. Insgesamt stellte sich heraus, das Aufbau und Prozess verbessert werden müssen, wenn YOUniversity neben den Beteiligungsformaten zur Kooperation und Agenda-Setting auch zur Projektplanung im größeren Umfang eingesetzt werden soll.

Tabelle 1: Übersicht zur Aktivität

VeranstaltungBeteiligungsformatSemesterRegistrierungAktivität

Political Action.

(Dr. Bastian Rottinghaus)

Themenvorschläge

SoSe 2017

12

8 Vorschläge

35 Bewertungen

Von der Residenzstadt zur Großstadt.

(Jan Niko Kirschbaum)
KooperationWiSe 2017/1813

9 Vorschläge

26 Kommentare

11 Bewertungen
5. Verstetigung der Projektidee und Vernetzung mit relevanten Stakeholdern

In unterschiedlichen Vorträgen und Workshops wurde YOUniversity präsentiert, um das Projekt bekannt zu machen und Rückmeldung zu möglichen Weiterentwicklungen zu erhalten. Zusätzlich wurde das Projekt im Oktober 2017 beim studentischen DINI-Wettbewerb „Lehren und Lernen mitgestalten – Studieren im digitalen Zeitalter“ ausgezeichnet.

Tabelle 2: Beiträge zurVernetzung während der Projektphase

Name ArtOrtDatum
Hochschuldidaktik der HHUVorstellungDüsseldorf12.01.2017
NRW Fortschrittskolleg Online-PartizipationVorstellungDüsseldorf06.02.2017
eLFF NetzwerktreffenVorstellung Düsseldorf10.05.2017
Deutsche Initiative für Netzwerkinformation E.V.Vorstellung und WettbewerbGöttingen04.-05.11.2017
Tag der Lehre 2017PosterschauDüsseldorf09.11.2017
DIID-RetreatVorstellungDüsseldorf19.01.2018
Forschungsnetzwerk Liquid DemocracyWorkshopBerlin18.05.2018

 

4. Evaluation

Die größte Herausforderung für ein partizipatives Projekt zur Mitgestaltung von Seminarinhalten stellt nach wie vor die Aktivierung der Studierenden dar. Während in den zweiten Förderungsrunden Beteiligungsfunktionen und -formate getestet wurden, die die Aktivität beeinflussen, bestand im Projektabschluss die systematische Zusammenfassung dieser Ergebnisse sowie deren Integration in einem praxisnahen Leitfaden. Die Evaluation fokussiert deshalb die Ergebnisse der Fokusgruppen sowie den Praxiseinsatz, die weiter oben bereits ausführlich dargestellt wurden.

Im Proof of Concept konnte bereits festgestellt werden,typo3/ dass Studierende den Einfluss mittels Beteiligungsverfahren auf den Seminarplan registrieren (mw 1,8; n=57). Auch wird die Hinzunahme einer Online-Plattform als adäquates Instrument zur Partizipation angesehen (mw 2,5; n=57). Gleichzeitig wird ein allgemeiner Mangel an Möglichkeiten zur Mitgestaltung von Seminarinhalten wahrgenommen (mw 2,5; n=57). Zusammenfassend unterstützen diese Hinweise aus der Projektevaluation die Relevanz und Zielsetzung des Projekts.

5. Ausblick

Mit dem Projektabschluss wird der Leitfaden zur „Online-Partizipation im universitären Kontext“ veröffentlicht. Das Konzeptpapier ist zugleich Ergebnissicherung der bisherigen Projektrunden als auch ein praxisnaher Leitfaden. Damit wird der bisherige personalintensive Aufwand zur Durchführung in ein weitestgehend eigenständiges Instrument für interessierte Dozierende überführt. Weiterhin wurde innerhalb der Projektphase die Grundlage für eine mittelfristige Finanzierung beispielsweise im Rahmen eines „Fellowships für Innovationen in der digitalen Hochschullehre“ des Ministeriums für Innovationen, Wissenschaft und Forschung des Landes NRW sowie des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft. Damit steht YOUniversity vor dem nächsten Schritt, nämlich der Etablierung als digitales Instrument von Lehre und Lernen an Universitäten.


Dr. Tobias Escher, Marco Wähner

Literatur

Esau, K., Friess, D., & Eilders, C. (2017). Design Matters! An Empirical Analysis of Online          Deliberation on Different News Platforms. Policy & Internet, 9, 321–342.

Kubicek, H., Lippa, B., & Koop, A. (2011). Erfolgreich beteiligt? : Nutzen und Erfolgsfaktoren      internetgestützter Bürgerbeteiligung ; eine empirische Analyse von 12 Fallbeispielen.

Verantwortlichkeit: