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Das Durchbrechen der Vierten Wand, oder auch: Im Gespräch mit Expert:innen - Multimediales Lehrangebot für die Sozialwissenschaften

Projektleitung: Lucas Constantin Wurthmann M.A.

 

Ausgangssituation

Ähnlich wie im Theater, bei dem sich die Zuschauer:innen mit einer vierten Wand konfrontiert sehen, die das Publikum nicht sieht, die Darsteller:innen aber schon, verhält es sich auch oft in der politik- und sozialwissenschaftlichen Lehre. Die Studierenden erhalten eine umfangreiche, theoretisch und empirisch fundierte Ausbildung, können aber selten mit den tatsächlichen Akteur:innen in Austausch treten, die sie untersuchen. Diese Wand sollte im Projektseminar „Campaigning und Wahlkämpfe“ in mehrfacher Hinsicht durchbrochen werden. Die Studierenden entwickelten hier im Semesterverlauf eigene Wahlkampagnen für die aufziehende Bundestagswahl 2021 (Kurs 1) oder Landtagswahl 2022 (Kurs 2). Unterstützt werden sollte ihr Lernerfolg durch einen Podcast, welcher seminarbegleitend Themen aufgriff, die dafür von zentraler Bedeutung sind. Der Projektantragssteller kam dafür in regelmäßigen Austausch mit Spitzenpolitiker:innen, Wissenschaftler:innen, die zu Wahlkämpfen forschen sowie mit Personen, die sich beruflich als Kampagnenberater:innen betätigen. So konnten dann die in der Lehrveranstaltung vermittelten Inhalte nicht nur einem Realitätscheck unterzogen, sondern gleichermaßen um viel persönlichere Einblicke ergänzt werden. Um die Studierenden in ihrem Lernerfolg zu unterstützen, sollten zusätzliche Lernvideos entwickelt werden. Der Lernerfolg der Studierenden wurde zwar schon grundsätzlich über die erfolgreiche Projektumsetzung gewährleistet, nichtsdestotrotz sollten weitere digitale Formate den Wissensstand der Studierenden – auf freiwilliger Basis – unterstützen. Durch ihr eigenes Kompetenzerlebnis sowie den Austausch mit der Praxis sollte die Intention des Projekts gelingen: die vierte Wand zu durchbrechen und den Austausch zu beginnen.


Ziele und Zielgruppen

Die Projektkurse zur Bundestagswahl 2021 sowie der NRW-Landtagswahl 2022 richteten sich an Studierende des BA Sozialwissenschaften, des Ergänzungsfachs Politikwissenschaft sowie des BA Philosophy, Politics and Economics (PPE). Die dadurch am Kurs teilnehmende Studienvielfalt stellte die Studierenden ebenso wie den Dozierenden für eine am sozialwissenschaftlichen Institut stetig wiederkehrende Herausforderung: Die Vielfalt an Studiengängen, in denen sich das Institut einbringt, führt zwangsläufig zu den unterschiedlichsten Kombinationen an Interessen, Vorkenntnissen sowie grundlegenden Studienschwerpunkten. Das Projekt verfolgte den Zweck, Chancengerechtigkeit durch bessere Ausgangsbedingungen zu schaffen – dies in Form von Lehrvideos – sowie die allgemeine Motivation der Studierenden durch selbstbestimmtes Lernen mit praktischer Anwendung zu erhöhen. Insbesondere der selbstbestimmte Lernprozess sollte hierbei gefördert werden durch das Autonomie-Erlebnis der Projektgestaltung sowie die individuelle Entscheidung, zu welchem Zeitpunkt die lehrunterstützenden Podcast-Folgen in die Lern-Lehr-Erfahrung aufgenommen werden. Das finale Produkt, auf die jeweiligen Wahlen und dazugehörige Parteien ausgerichtete Wahlkampagnen zu konzipieren, bildete die inhaltliche Klammer des Projekts.

Zentral war auch die nachhaltige Entwicklung der begleitenden Projekterzeugnisse. Gemeint ist hiermit, dass die entwickelten Lehrvideo, wie der Podcast, auch weiterhin einer interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. So kann das Lehrvideo zu Grundlagen der empirischen Wahlforschung etwa über YouTube eingesehen werden, was es grundsätzlich einsatzfähig für die universitäre Lehre macht.


Umsetzung des Projekts

Mit der Umsetzung des Projekts wurde zeitnahe nach Bewilligung begonnen. Prioritär wurde dabei die konzeptionelle Entwicklung des Podcasts behandelt, da die Lehrvideos aufgrund des damaligen Pandemiegeschehens in der Umsetzung nicht absehbar zu planen waren, da das Medienlabor a) nicht durchgehend zugänglich war und b) persönliche Begegnungen vermieden werden sollten. Nichtsdestotrotz wurden beide Lehrveranstaltungen darauf ausgelegt, den Podcast explizit in die Planung der Gruppenprojekte einzubeziehen. Auch der Selbsttest zur empirischen Wahlforschung, der ursprünglich als Lernkontrolle eingesetzt werden sollte, wurde nichtsdestotrotz zeitnahe umgesetzt und den Studierenden zur Verfügung gestellt – mit Literaturhinweisen als hinreichende Grundlage.

Ein absolutes Highlight des Seminars war für die Studierenden – nach eigener Aussage – die finale Kampagnenpräsentation, bei der sie ihre Kampagnen vorstellen konnten. Als ebenso wertvoll wurde empfunden, dass in beiden Kursen auch der persönliche Austausch mit Praktiker:innen gewährleistet wurde. So waren in beiden Semestern Campaigner eingeladen, die aus ihrem beruflichen Alltag berichten konnten und Einblicke in erfolgreiche Kampagnenführung gewährten. Vor allem die Fragerunden mit den Expert:innen wurde sehr geschätzt. Insbesondere die selbstbestimmte Lernerfahrung der Studierenden, gefördert durch die Autonomie im Lernprozess sowie die Podcasts, wurde studierendenseitig sehr begrüßt.
 

Ergebnisse und Ausblick

Zusammenfassend ist es so, dass die Kurse – wenngleich die Coronapandemie als externer Faktor gleich blieb – nichtsdestotrotz unter verschiedenen Bedingungen stattfinden mussten. Da der Dozierende zum November 2021 die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf verlassen hat, musste der Seminartermin im Wintersemester 2021/22 auf freitagnachmittags um 16:30 Uhr verlegt werden. Hatte es in den Vorjahren zum Campaigning-Kurs noch über 100 Anmeldungen gegeben, meldeten sich zum zweiten Projektkurs insgesamt nur 25 Studierende an.

Um den Lernerfolg der Studierenden auch von der subjektiven Perspektive beleuchten zu können, wurden in beiden Semestern Befragungen mit den Studierenden durchgeführt. Hierbei ergaben diese, dass über 70% der Kursteilnehmer:innen mehr als nur eine Folge des Podcasts gehört haben. Auch das Lehr-Lern-Video, welches im zweiten Kurs zum Einsatz kam, wurde als sehr bereichernd wahrgenommen. Der Einsatz von Selbsttests als Ergänzung und Überprüfung des eigenen Kenntnisstands wurde hingegen klar abgelehnt. Priorisiert wurde die umfangreiche Nutzung des Podcast-Angebots.

Zusätzlich wurden die Studierenden danach befragt, wie motiviert sie vor Beginn des Kurses gewesen seien und wie motiviert sie am Ende des Kurses waren. Neben weiteren Ansatzpunkten, die aus der klassischen Literatur zur Motivation von Studierenden abgeleitet wurden, konnte eine Regressionsanalyse durchgeführt werden, deren Ziel es war, Differenzen in der Studierendenmotivation erklären zu können. Es zeigte sich im Rahmen der Analyse, dass die Motivation der Studierenden durch den Konsum des Podcasts ebenso gesteigert wurde wie durch eine persönliche Sympathie für den Dozierenden. Es konnte entsprechend festgestellt werden, dass je mehr Podcastfolgen die Studierenden konsumiert haben, desto stärker waren sie am Semesterende – im direkten Vergleich zum Semesterbeginn – motiviert. Kontrolliert werden konnte dieser Effekt durch weitere Faktoren wie eine allgemeine Ablehnung von Teamprojekten, der Kompetenz- und Autonomieerfahrung durch ein eigenes Projekt sowie das Geschlecht der Befragten, wodurch die Signifikanz der Ergebnisse nicht eingeschränkt wurde.

Welche Implikationen lassen sich also aus dem Projekt ziehen? Die Umsetzung des Podcasts hat sich als unterstützendes Element der Lehre sehr gelohnt – die Studierenden, die ihn regelmäßiger gehört haben, waren am Ende des Semesters deutlich motivierter als zuvor. Diejenigen, die ihn nicht genutzt haben, waren am Ende des Kurses wiederum – zumindest durchschnittlich – nicht weniger motiviert. Es zeigen sich also, neben reinen Sympathieeffekten, die auch durchaus die Bewertung eines Kurses nachhaltig beeinflussen können, wichtige Ansatzpunkte für künftige Lehrveranstaltungen: Podcasts können eine sinnige Ergänzung sein. Die Veröffentlichung dieser und weiterer Ergebnisse in einer Fachzeitschrift ist geplant.

 

 

Verantwortlichkeit: