scheLM SPEKT
Ausgangssituation
Die synthetische organische Chemie ist eine kreatives Tätigkeitsfeld. Chemikerinnen und Chemiker synthetisieren immer neue chemische Substanzen. Im Juni 2019 waren ca. 150 Millionen Verbindungen bekannt und beschrieben, von denen die meisten so nicht in der Natur vorkommen. Das Erdenken immer neuer Strukturen und die Entwicklung einer Synthesestrategie ist nicht nur eine wissenschaftliche Tätigkeit, sondern auch eine kreativ künstlerische Tätigkeit.
Ist eine neue Struktur erstmals synthetisiert, ist die Arbeit einer Chemikerin oder eines Chemikers aber noch nicht abgeschlossen. Es stellt sich die Frage, ob ich unter der Vielzahl möglicher Strukturen wirklich meine Zielstruktur synthetisiert habe. Daher muss im Anschluss an die Synthese ein Strukturbeweis geführt werden.
Dieser Strukturbeweis wird mit Hilfe spektroskopischer Methoden geführt. Die wohl wichtigste Methode in diesem Zusammenhang ist die NMR-Spektroskopie. Diese liefert Linienmuster, wie in Abb. 1 gezeigt.
In der NMR-Spektroskopie können verschiedene Methoden angewandt werden. Dabei bauen komplexe Methoden auf den einfachen Methoden auf. Ein Schlüssel im Strukturbeweis stellt jeweils das 1H-NMR-Spektrum dar.
Das Standartvorgehen zum Strukturbeweis besteht in der Simulation des 1H-NMR-Spektrums des Produkts und möglicher Nebenprodukte. Im nächsten Schritt wird das erhaltene Spektrum mit den Simulationen verglichen. Die Simulation besteht aus mehreren Schritten. Dazu gehört (i) die Lage der Linien im Spektrum (wie weit nach rechts oder links sind sie verschoben), (ii) die Intensität der Linien (diese hängt von Höhe und Breite ab), (iii) die Aufspaltung (handelt es sich um Dublett, Dublett von Dublett, Quintett , … - siehe Abb. 1) und (iv) Bandenform (ist die Bande scharf oder breit).
Zielgruppe und Zielsetzung
Die Inhalte dieses Moduls richten sich an alle Studierende mit dem Hauptfach Chemie (Biochemie, Chemie, Wirtschaftschemie) und an Studierende im Studiengang Naturwissenschaften mit dem Schwerpunkt Chemie.
Ziel ist es, den Studierenden auch außerhalb von Seminaren und Übungen eine Möglichkeit zu bieten, die Kompetenz, 1H-NMR-Spektren zu simulieren, selbständig zu trainieren. Gleichzeitig bietet dieses Modul den Studierenden eine Möglichkeit, den eigenen Stand freiwillig und regelmäßig zu überprüfen.
Umsetzung
Im Startbereich (Abb. 2) können Studierende die Art der Aufgabe beeinflussen. Zunächst kann die Schwierigkeit der Aufgaben in vier Stufen ausgewählt werden. Darüber hinaus können Studierende auswählen, wie sie mit der chemischen Verschiebung (das ist die Lage der Signale im Spektrum) umgehen. Sie können diese ignorieren, diese Abschätzen oder mit einfachen Methoden näherungsweise berechnen. Anschließend können Studierende noch auswählen, wie viele Beispiele sie bearbeiten wollen. Die Auswahlbox wird jeweils so angepasst, dass jeder Wert zwischen 1 oder der maximalen Anzahl zur Verfügung stehender Beispiele ausgewählt werden kann. Im letzten Schritt kann der Test Starten Button gedrückt werden. Dann wird über einen Zufallsgenerator die gewählte Anzahl von Beispielen ausgewählt.
In Abb. 3 ist ein einfaches Beispiel gezeigt. Links oben ist das Molekül gezeigt, daneben befindet sich eine frei Fläche (später dazu mehr) und darunter befindet sich eine Tabelle, die zu Beginn des Tests nur Überschriften enthält.
Die Studierenden sind nun aufgefordert, Atome durch Anklicken mit der Maus auszuwählen. Jedes angeklickte Atom wird durch einen grauen Kreis markiert und nummeriert. Gleichzeitig erscheint in der Tabelle darunter die dazugehörige Zeile. In diese Zeile (siehe Zeile 1 und 2) wird eine Intensität (I , 3. Spalte) ausgewählt und die übrigen Einträge können in der Tabelle ausgewählt werden.
Wird ein Atom ausgewählt, welches nicht benötigt wird, kann dieses nicht mehr gelöscht werden. Stattdessen können Studierende die Intensität = 0 (0 kein Signal) auswählen. Das Ergebnis wird dann trotz fehlerhaft ausgewählten Atoms als richtig anerkannt.
Atom 3 (siehe Abb. 4) ist aus Symmetriegründen identisch mit Atom 1 und Atom 4 ist aus Symmetriegründen identisch mit Atom 3. Dies zu erkennen ist wichtig. In diesen Fällen müssen die Studierenden in der zweiten Spalte „Ident. mit“ auswählen. Der Aufbau der Tabellenzelle ändert sich dann. Die üblichen Auswahlmöglichkeiten werden ausgeblendet und es entsteht eine andere Auswahlbox. Aus dieser wird der entsprechende Wert ausgewählt.
Ist das Beispiel fertig bearbeitet, so kann die Vorhersage überprüft werden (siehe Abb. 5).
Nach der Überprüfung werden Fehler rot hervorgehoben. Neben jeder Antwort befindet sich jetzt ein Info-Button. Durch klicken dieses Buttons werden Informationen zur richtigen Antwort in das graue Feld neben der Struktur eingeblendet.
Befindet sich in einer Zeile ein Fehler (siehe Zeile 2), dann wird in der zweiten Spalte zusätzlich ein Button „Lsg.“ Eingeblendet. Durch klicken auf diesen Button wird die falsche –rot markierte Antwort – durch die richtige Lösung ersetzt. Die Studierenden können sich dann auch noch mal ihre falsche Antwort anzeigen lassen.
Anschließend können Studierende dann zum nächsten Beispiel springen.
Die Beispiele für das oben beschriebene Testmodul werden aus einer Datenbank entnommen. Diese Datenbank enthält neben dem Dateinamen der eingeblendeten Struktur, die Schwierigkeit des Beispiels, die Positionen eines jeden Atoms, bis zu zehn unabhängige Informationen pro Atom, und zu jeder dieser Informationen noch eine Erklärung. So können schon bei mittelgroßen Molekülen (zehn Atome) 100 zu speichernde Informationen und 10 Sätze von x-y-Koordinaten erforderlich sein. Dies bedeutet einen erheblichen Aufwand bei der Erstellung der Beispiele und speziell die x-y-Koordinaten der Atome sind nicht leicht zugänglich. Diese sind aber notwendig, um Atome durch Anklicken auswählen zu können.
Zur Eingabe eines neuen Beispiels wird zunächst eine neue Struktur hochgeladen und die Schwierigkeit wird ausgewählt. Anschließend werden über den Button neue Atommarkierungen generiert. Jede Markierung erscheint zunächst am Rand der Abbildung und kann mit Maus und Cursortasten (Feinjustierung) auf das gewünschte Atom verschoben werden. Gleichzeitig werden die Atome wie im Test in der Reihenfolge der Erzeugung nummeriert. Die Nummern erscheinen standartmäßig links oben, können aber je nach Geometrie des Moleküls verschoben werden. Die so erzeugten Kreise definieren den Bereich, in dem Studierende später klicken können und den Ort, wo bei Studierenden der Kreis angezeigt wird. Die Nummerierung im Testbereich (Studierendenbereich) ist unabhängig von der hier gewählten Nummerierung, um Lösungshinweise zu vermeiden.
Mit jedem Atom wird auch eine Zeile in einer Lösungstabelle erzeugt. Diese ist identisch mit der Tabelle im Studierendenteil aufgebaut. Hier wählt der Lehrende die richtigen Antworten und trägt die Texte für den Infobereich ein.
Im letzten Schritt werden die Daten gespeichert.
Ergebnisse
Wie auch in anderen von uns entwickelten Modulen war nicht nur die Entwicklung eines Tests, sondern auch die Erstellung der Eingabemaske mit erheblichem Aufwand verbunden. Dennoch ist die Entwicklung einer Eingabemaske für neue Beispiele unabdingbar. Ohne diese, wäre es unmöglich komplexe Beispiele effizient zu generieren. Für Ungeübte würde dann schon die Einarbeitung in die Eingabe Tage oder Wochen erfordern, was jetzt in wenigen Minuten möglich ist.
Studierende werden regelmäßig in Klausuren mit Aufgaben konfrontiert, bei denen Sie 1H-NMR-Spektren simulieren müssen. Die Studierenden haben begeistert auf dieses neue Modul reagiert und auch die letzte Klausur hat gezeigt, dass Aufgaben von diesem Typ Studierenden jetzt weniger Schwierigkeiten bereiten.