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Standortübergreifende Ringseminare als „Blended Learning“: Zwei Kooperationsprojekte im nationalen und internationalen Rahmen

 

Ausgangslage

Die international ausgerichtete Politikwissenschaft beschäftigt sich mit grenzüberschreitenden Phänomenen wie zum Beispiel Migration, Klimawandel oder Terrorismus. Im üblichen Seminarrahmen rezipieren Studierende diese Realität jedoch zu selten jenseits ihres eigenen lokalen Kontextes und disziplinären Erfahrungsschatzes. Dies scheint paradox angesichts einer in alle öffentlichen und privaten Lebensbereiche eingekehrten digitalisierten und globalisierten Lebenswelt. Vor diesem Hintergrund bestand ein wesentliches Ziel der Lehrinnovation darin, nicht nur fachliche Inhalte im Sinne „regulärer“ Lehre zu vermitteln, sondern darüber hinaus den studentischen Blick auf das Untersuchungsobjekt zu weiten. Letzteres sollte durch die Bündelung von standortübergreifendem Wissenstransfer und intensiver Auseinandersetzung mit (international) divergierenden Perspektiven und Forschungsansätzen gefördert werden (i.S.v. cross-site teaching). Universitätsinsitutionell sollte überdies der fächerübergreifende Dialog gestärkt werden – nicht nur durch die Etablierung eines interdisziplinären Netzwerkes digitaler Hochschullehre an der HHU, sondern auch durch die fächer- und standortübergreifende Einbindung von Expertinnen und Experten zu einschlägigen Fragestellungen der Fachdebatte. Die didaktische Vielfalt der bisher durchgeführten Ringprojekte im nationalen und internationalen Kontext sowie der damit einhergehende Fokus auf blended learning und dezentrale Arbeitsstrukturen potenzierte die Wissensproduktion und den Wissenstransfer um ein Vielfaches. Die Quantität und Qualität des im Zuge der Lehrinnovation erstellten und bereitgestellten Materials wurde im Rahmen der Studierendenevaluation im Vergleich zu regulären Seminaren als besonderer Mehrwert hervorgehoben.

Ziele und Zielgruppen

In erster Linie richten sich die im Rahmen der Lehrinnovation konzipierten Veranstaltungen an Studiengänge im Kontext der Internationalen Beziehungen und der Friedens- und Konfliktforschung. Nach der bereits durchgeführten Ringvorlesung zum „IS/Daesh“ (2016) und dem ersten nationalen Ringseminar mit dem Titel „Gefährdung des Friedens in Europa“ (2017) standen im Jahr 2018 je ein nationales Ringseminar mit insgesamt acht deutschen Universitätsstandorten sowie ein international angelegtes Seminar in Kooperation mit der Universität von Pretoria in Südafrika im Fokus. Während sich das nationale Seminar primär mit Fragestellungen im Schnittmengenbereich der Sicherheits-, Migrations- und Entwicklungspolitik auseinandersetzte, zielte die international konzipierte Lehrveranstaltung insbesondere auf eine Perspektiverweiterung hinsichtlich des Phänomens transnationaler Migration ab. Am auf nationaler Ebene durchgeführten Ringseminar im Sommersemester 2018 nahmen ca. 150 Studierende diverser Bachelor- und Masterstudiengänge der Universitäten Freiburg, Tübingen, Marburg, Mainz, Magdeburg, Hamburg, Frankfurt und Düsseldorf teil. Parallel zu dieser und zu vorherigen Lehrerfahrungen im innerdeutschen Kontext wurde das Konzept eines internationalen, standortübergreifenden Ringseminars entwickelt. Daran schließt der Aufbau eines Netzwerkes internationaler Universitäten, Lehrender und Studierender an, die an dieser Form der Lehr- und Lernkooperation interessiert sind. Seit dem Sommersemester 2018 arbeiten auf dieser Grundlage zwei Dozierende und ca. 60 Studierende der Universitäten Pretoria und Düsseldorf zusammen. Neben dem (internationalen) Vernetzungsziel zwischen Dozierenden und Studierenden auf der einen und dem Lehren und Lernen neuer Inhalte (z.B. mit Blick auf kontextabhängige Perspektiven auf Themenfelder im Bereich der transnationalen Migration) bestand ein weiteres Ziel darin, die technischen Fähigkeiten und soft skills der Studierenden beispielweise im Rahmen von Videokonferenzen und standortübergreifenden Gruppenarbeiten auszubauen. Die Konzepte von blended learning und inverted classroom erwiesen sich vor diesem Hintergrund als geradezu prädestiniert, den politikwissenschaftlichen Lehrplan insbesondere in internationalen Themenfeldern zu ergänzen. Eine funktionierende eLearning-Infrastruktur an allen beteiligten Standorten erwies sich dabei als zentrale Voraussetzung (d.h. gemeinsame Lernplattform, Videokonferenztechnologie, Video-Editoren). Insbesondere die internationale Kooperation mit der Universität von Pretoria zielte darüber hinaus auf eine im wissenschaftlichen Kontext dringend benötigte Perspektiverweiterung hinsichtlich oftmals marginalisierter Diskurspositionen.

Umsetzung

Über eine digitale Videoplattform (Vidyo) und E-Learning-Formate (Ilias) verbunden, arbeiteten Studierende und Dozierende über hunderte bzw. im internationalen Fall über tausende Kilometer hinweg zusammen. Input-Vorträge internationaler Forschender (Camtasia) ergänzten die Seminarvorbereitung und -durchführung. Die Seminarkonzeption bestand aus einer vor- und nachbereitenden Phase sowie einer wöchentlichen Präsenzzeit von 90 Minuten. Letztere war in zwei Abschnitte geteilt: Ungefähr zwei Drittel der Seminarzeit wurden alle Standorte des nationalen Ringseminares per Videokonferenz zusammengeschaltet. Lokale Interaktionsphasen von circa 30 Minuten ergänzten die standortübergreifende Zusammenarbeit. Ähnlich gestaltete es sich mit Blick auf die internationale Kooperation mit den KollegInnen und Studierenden aus Pretoria. Hier wurde im Zuge der online-Phasen jedoch mehr Wert auf den direkten Austausch zwischen deutschen und südafrikanischen Studierenden gelegt. Dies geschah neben der „großen“ Videokonferenzschaltung unter anderem in Form von standortübergreifenden Kleingruppenarbeiten. Im Sinne des inverted classroom wurden darüber hinaus eLearning-Elemente und Vorträge der ExpertInnen in den Seminarablauf beider Lehrveranstaltungen eingebunden. In der Vorbereitungsphase eigneten sich Studierende Basiswissen an, während in der Nachbereitungsphase das erlernte Wissen angewandt wurde. In beiden Phasen erarbeiteten standortübergreifende, studentische Arbeitsgruppen Materialien zu den aufgezeichneten Videovorträgen. Diese wurden zur Vorbereitung der Sitzung vorab online gestellt. Da eine Vielzahl unterschiedlicher Arbeitsmaterialien vom klassischen Text bis hin zu audiovisuellen eLearning-Elementen angeboten wurde, konnten unterschiedliche Lerntypen individuell angesprochen werden. In den jeweiligen Sitzungen wurden die Video-ReferentInnen live zugeschaltet, wobei standortübergreifend zusammengesetzte studentische Arbeitsgruppen die Diskussion der Studierenden mit den zugeschalteten ExpertInnen leiteten. Durch die standortheterogene Verteilung der Studierenden auf unterschiedliche Semester (d.h. BA/MA) konnten Aufgaben auf die individuellen Kompetenzniveaus zugeschnitten und der Zentrierung auf die Studierenden gerecht werden. Um alle Studierenden aktiv einzubinden und die Gruppengröße für die anspruchsvolle standortübergreifende Zusammenarbeit nicht zu groß werden zu lassen, wurden von anderen Studierenden vertiefende eLearning-Elemente erstellt. Insgesamt standen den Studierenden bis zu fünfzehn Aufgaben, wie etwa Audio- und Videobeiträge oder Wissenskontrollen in Form von Quizfragen zur Vor- oder Nachbereitung einer Sitzung, zur Verfügung. Das eLearning-Angebot im nationalen Kontext fand im Jahr 2018 bereits zum dritten Mal statt (2016-2018). Sowohl das cross site, als auch das inverted classroom-Element sind mittlerweile fester Bestandteil der Lehrveranstaltungen des Projektverantwortlichen und können damit als institutionell verstetigt angesehen werden. Studentische Beteiligungs- und Leistungsnachweise sind beispielsweise in der Form synchronisiert, dass standortübergreifende Outputs generiert werden (z.B. gemeinsame Papiere) und ExpertInnen-Videos neben der Seminarliteratur die inhaltliche Basis von Abschlussprüfungen darstellen. Eine ähnliche Form der Institutionalisierung und Verstetigung wird in Zukunft auch im Hinblick auf die internationalen Kooperationsprojekte angestrebt (vgl. https://oerforcolearning.wordpress.com/).

Ergebnisse und Ausblick

Die Kombination von cross-site teaching und inverted classroom ermöglichte eine Zentrierung auf Studierende sowie die Flexibilisierung von Lernwegen. Anhand der Evaluationsergebnisse lässt sich zeigen, dass unter den Studierenden nicht nur eine große Akzeptanz von eLearning-Elementen herrscht und diese aus studentischer Sicht zum Gelingen einer Lehrveranstaltung beitragen können, sondern darüber hinaus die gebotenen Freiheiten zur Erarbeitung und wissenschaftlicher Bearbeitung eigener Fragestellungen von den Studierenden als didaktisch besonders geeignete Mittel gewertet wurden. Die Evaluation des nationalen Ringseminars spiegelt dabei eine generelle Zufriedenheit der Studierenden mit den gewählten thematischen Schwerpunkten und der gebündelten Expertise durch Expert*innen wider. Im internationalen Projekt hoben die Studierenden vor allem die eLearning-Elemente sowie insbesondere die standortübergreifenden Kleingruppenkonferenzen und den damit einhergehenden Perspektivwechsel hervor. Das im letzten Jahr gesteckte Ziel einer stärkeren online-Partizipation der Studierenden konnte somit zufriedenstellend erreicht werden. In beiden Seminarkontexten konzentrierte sich die Kritik auf technische Probleme sowie die teilweise zu unübersichtlichen Aufgaben-, Gruppen- und Konferenzkonstellationen. Diesen und weiteren Kritikpunkten soll in Zukunft mit besonderem Fokus auf die internationale Kooperation mit der Universität Pretoria und weiteren Standorten in Afrika, Asien und Lateinamerika begegnet werden. Ein erster Schritt auf diesem Wege erfolgte bereits im Sommersemester 2019 mit dem Ringprojekt „Peace, Conflict & Mediation“, welches gemeinsam mit den KollegInnen und Studierenden aus Pretoria realisiert werden konnte.

Projektleitung: Dr. Witold Mucha, Maximilian Wegener B.A.

Verantwortlichkeit: