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Koloniale Fotografien aus Togo - transkulturelle Annäherungen

Ausgangssituation

Welche Bilder von Togo haben Studierende in Deutschland, welche Bilder von Deutschland Studierende in Togo? Dies war die Ausgangsfrage des Projektseminars „Kolonialfotografien aus Togo – transkulturelle Annäherungen“, welches im Sommersemester 2015 von der Professur „Europäische Expansion. 19. und 20. Jahrhundert“ durchgeführt wurde. Von 1884-1914 war Togo deutsche Kolonie, galt gar als deutsche „Musterkolonie". Inwieweit prägen die Bilder aus der Kolonialzeit die heutige visuelle Kultur in Deutschland und Togo – und welchen Unterschied macht es, sich Bilder aus der kolonialen Vergangenheit aus einer deutschen oder togoischen Perspektive anzuschauen. Gibt es hier überhaupt zwei verschiedene Perspektiven, oder noch viel mehr? 

Da das Projektseminar in Kooperation mit der Universität Lomé in Togo ausgerichtet wurde, war ein Austausch im virtuellen Raum unabdingbar. Ermöglicht wurde dieser durch den eLearning-Förderfonds der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Ziele & Zielgruppen

­Ziel des Projektseminars war es, die unterschiedlichen Sichtweisen der togoischen und deutschen Betrachter zu analysieren sowie den interkulturellen, interdisziplinären Austausch zwischen den Universitäten in Lomé und Düsseldorf zu fördern. Die Arbeitsergebnisse sollten erstens einem breiteren Publikum in Form einer Ausstellung präsentiert und zweitens gewinnbringend in kommende Lehrveranstaltungen eingebunden werden.  Am eLearning Projektseminar nahmen insgesamt zehn Studierende der Germanistik der Universität Lomé sowie dreizehn Studierende der Geschichtswissenschaften der Universität Düsseldorf teil. Betreut wurde das Projekt durch Dr. Kokou Azamede, Département d'Etudes Germaniques, Université de Lomé (Togo) sowie Prof. Dr. Stefanie Michels und Niels Hollmeier, Abteilung "Europäische Expansion" des Instituts für Geschichtswissenschaften der HHU Düsseldorf.

Umsetzung

Der Austausch zwischen den Studierenden erfolgte im virtuellen Raum via Facebook und mehreren Videokonferenzen. Die Teilnehmenden stellten sich selber in einem kurzen Video vor, zudem wurden Fragenkataloge entwickelt und an die jeweils andere Gruppe geschickt. Vor der eigentlichen Analyse der Fotografien verschafften sich die Teilnehmenden einen Überblick über die Kolonialgeschichte sowie den Theorien der postcolonial studies und der Bildanalyse. Die Ergebnisse zu den einzelnen Schlüsselbegriffen hielten sie selbstständig in zwei Glossaren fest, die allen Teilnehmenden online zugänglich gemacht wurden.

Bei den in der Folge analysierten Kolonialfotografien handelt es sich um Bilder aus dem frei zugänglichen Bestand der Deutschen Kolonialgesellschaft (DKG). Die Deutsche Kolonialgesellschaft war ab 1887 bis zum Beginn des „Dritten Reiches“ der wichtigste und zahlenmäßig größte Interessensverband für Kolonialanhänger in Deutschland. Sie veranstaltete zahlreiche (Lichtbild-)Vorträge sowie Kongresse, fungierte als Bildagentur und gab verschiedene Kolonialzeitschriften heraus. Der Bestand der DKG von über 55.000 Bildern, nach dem Zweiten Weltkrieg zeitweise durch die Alliierten beschlagnahmt und schließlich der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main übergeben, ist seit den 1990er digital gesichert und in einer Onlinedatenbank frei verfügbar.

Der togoische Kulturwissenschaftler Dr. Kokou Azamede befasst sich in seinem aktuellen Forschungsprojekt mit dem Bildbestand der Datenbank. Die von ihm entwickelte Bildanalyse, bei der insbesondere afrikanische Akteure und ihre Lebenswelt und nicht die koloniale Sicht, die „imperial eyes“ (Pratt 1992) der Europäer im Vordergrund stehen, wurde auf die fünf für das Projektseminar ausgewählten Kolonialfotografien angewandt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer entschieden sich nun in einer gemeinsamen Videokonferenz für jeweils eine der fünf Fotografien und bildeten anschließend gemischte Gruppen, bestehend aus je zwei togoischen und zwei bis drei deutschen Studierenden. In Facebookgruppen und –chats fand die Bildanalyse statt, wobei auch versucht wurde, eine zeitliche und geografische Einordnung vorzunehmen. Dies gelang bei drei Bildern, welche, so das Ergebnis der Analyse, in Sebe und Atakpamé (Bild 2 u. 3) sowie Akpafu im heutigen Ghana (Bild 4) aufgenommen wurden.

Ergebnisse & Ausblick

­Die Arbeitsergebnisse wurden von den Gruppen auf Plakaten festgehalten, welche in der Ausstellung am 16. Juli 2015 im Haus der Universität der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Jedes erstellte Plakat beinhaltete neben einer generellen Beschreibung und einem Kommentar zur Fotografie auch Detailaufnahmen des Bildes, um für die Besucher besondere Aspekte deutlicher hervorheben zu können. Eine thematische Hinführung zum Seminar und der Kolonialgeschichte gaben Prof. Dr. Stefanie Michels und Niels Hollmeier, während die Mitarbeiterinnen der Professur „Europäische Expansion“, Tatjana Poletajew und Caroline Authaler, eine kritische Würdigung des Projektes am Ende vornahmen. Überraschend groß war zudem der Besucherandrang am Tag der Ausstellung.

Obgleich die togoischen und deutschen Studierenden in vielen Punkten bei der Analyse der Kolonialfotografien zu einem übereinstimmenden Ergebnis kamen, zeigten sich durchaus unterschiedliche Perspektiven bei der Interpretation. Während deutsche Studierende oft die damalige Unterdrückung der afrikanischen Bevölkerung in den Fokus ihrer Untersuchung rückten, lehnten togoische Studierende dies vielfach ab. Sie deuteten in Gestik und Mimik der abgebildeten Afrikaner eher eine aktive, keine unterwürfige Rolle.

Nach Abschluss der Veranstaltung hoben die Teilnehmenden vor allem die innovative Zusammenarbeit zwischen den Dozierenden und den fünf deutsch-togoischen Gruppen hervor. Auf Zustimmung stieß auch die Möglichkeit zur freien, selbstständigen Arbeit an den Kolonialfotografien im virtuellen Raum. Zugleich ergaben sich auf technischer Seite immer wieder einige Probleme bei der Durchführung. So gestalteten sich die Videokonferenzen schwierig, da die Qualität der Internetverbindung zwischen Deutschland und Togo stark schwankte. Einige Videokonferenzen konnten nur mit Standbild als Chat durchgeführt werden. Manche togoische Studierende verfügten zudem über keinen eigenen Rechner und mussten auf öffentliche Internetcafés / Bibliotheken ausweichen. Im Umgang mit Facebook zeigten sich jedoch deutsche als auch togoische Studierende sicher, die meisten Teilnehmenden verfügten bereits über ein Profil. Die Kontaktaufnahme gestaltete sich daher sehr leicht, der Austausch untereinander wurde bzw. wird auch nach Ende der Lehrveranstaltung fortgeführt. Zwangsläufig jedoch wurde durch das soziale Netzwerk viel vom Privatleben des Anderen zugänglich gemacht. Besonders positiv hervorzuheben ist, dass durch die finanzielle Unterstützung der HHU Düsseldorf eine Exkursion nach Togo stattfinden kann, die den weiteren Austausch zwischen den beiden Universitäten fördern wird.

Die gewonnenen Erkenntnisse des Projektseminars bei der interkulturellen, interdisziplinären Bildanalyse und der inhaltlichen Durchführung sowie technischen Machbarkeit fließen in die Lehrveranstaltungen der kommenden Semester mit ein. Die aktive Nutzung von Ilias, welche in der gegenwärtigen Veranstaltung leider nicht möglich war, da Externe, wie z.B. Studierende aus Togo, derzeit keinen Zugriff auf die Plattform bekommen können, ist zukünftig beabsichtigt. Ilias bietet im Vergleich zu den bisher genutzten virtuellen Plattformen zahlreiche Vorteile. Neben der Gestaltung von (interaktiven) Lernmodulen und Testaten ermöglichen Blogs eine übersichtliche Dokumentation der Teilnehmerbeiträge. Zudem wird die aktive Erstellung eines Wikis / Onlineglossars unterstützt. Bereits im kommenden Wintersemester 2015/16 erfolgt die Einbindung von Ilias in der Übung „Zwischen Text und Bild: transdisziplinäre Annäherungen an Kolonialfotografien aus Togo“. Diese findet unter der Leitung von Prof. Dr. Stefanie Michels und in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Alexander Ziem, Abteilung IV Theorie und Geschichte mündlicher Kommunikation des Instituts für Germanistik, statt. Die Lehrveranstaltung baut wesentlich auf dem erfolgreich abgeschlossenen eLearning Projektseminar „Kolonialfotografien aus Togo – transkulturelle Annäherungen“ auf.

Evaluation

Insgesamt bewerteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Projektseminar sehr positiv. Allgemein wurden das angenehme Arbeitsklima, der gute Kontakt zur Professorin und die interessante Thematik hervorgehoben. Bezüglich der Arbeitsdurchführung stießen vor allem die „Innovative Zusammenarbeit auf Facebook“ und die „Interaktivität“ sowie die Kommunikation auch außerhalb der Lehrveranstaltung auf breite Zustimmung. Kritisiert hingegen wurde von einigen wenigen Teilnehmenden der Ablauf des Seminars. So hätten sich bei der Planung und Arbeitsdurchführung einige Schwierigkeiten ergeben.

Das Arbeitsverhalten der Studierenden war von Gruppe zu Gruppe sehr unterschiedlich, fiel insgesamt aber gut bis sehr gut aus. Während drei der fünf Gruppen die ihnen gestellten Aufgaben selbstständig lösten und sich durch Beiträge, Posts und Recherchen immer wieder gewinnbringend in die Diskussion miteinbrachten, war bei den zwei anderen zeitweise eine direktere Unterstützung nötig. Diese konnte aber durch die stete Onlinebetreuung garantiert werden. Der Einsatz von Facebook als virtuelle Plattform war zufriedenstellend, jedoch zeigten sich einige Nachteile gegenüber Ilias. Beiträge gingen teils schnell unter, da eine Sortierung der Posts innerhalb von Gruppen nicht unterstützt wird. Eine Hierarchisierung der Beiträge erfolgt bei Facebook fast ausschließlich aufgrund des Datums und der Nutzeraktivität. Der zukünftige Einsatz von Ilias in der Übung „Zwischen Text und Bild: transdisziplinäre Annäherungen an Kolonialfotografien aus Togo“ dürfte daher einen deutlichen Vorteil bei der Betreuung und Dokumentation bieten.

Auf Seite der Betreuenden lässt sich alles in allem ein sehr positives Fazit für das eLearning Projektseminar ziehen. Die Mitarbeit der Studierenden wurde durch die Onlinebetreuung gefördert, es konnte bei Bedarf aktiv in den Arbeitsprozess eingegriffen und die schrittweise Überführung der Ergebnisse in eine dauerhafte Präsentationsform gewährleistet werden. Überraschend groß war zudem der Besucherandrang am Tag der Ausstellung, bei dem neben Verwandten und Bekannten der Teilnehmenden auch zahlreiche „Externe“ erschienen und großes Interesse an der Thematik zeigten. Die gemachten Erfahrungen in Bezug auf die Umsetzbarkeit eines derartigen Projektes sowie die verschiedenen Interpretationsansätze bei der Analyse von Kolonialfotografien können gewinnbringend in die zukünftige wissenschaftliche Arbeit eingebunden werden. 

Verantwortlichkeit: