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Textkompetenzen. Wikis im Bachelor-Studiengang Germanistik

Ausgangssituation/Gründe für den Einsatz von eLearning

Schreibkenntnisse gehören zu den Fachkompetenzen eines geisteswissenschaftlichen Studiums. Dabei ist das ein komplexes Feld. Aufbau einer wissenschaftlichen Arbeit, Klärung von inhaltlichen Voraussetzungen für den Text, Fachsprache, Umgang mit und Angabe von Zitaten, ein gutes Gefühl für Ausdruck und Satzkonstruktionen sind große Herausforderungen, die es schreibend zu bewältigen gilt. Doch darüber hinaus hat, wer Schreiben gelernt hat, auch Kenntnisse über die Komplexität des Schreibvorgangs, über die Bewältigung des ersten Satzes, über die Sensibilität und Lesbarkeit von Texten gewonnen und, bestenfalls, eine Reflektion seines wissenschaftlichen Standorts vorgenommen. Jenseits der Hausarbeit und des Stundenprotokolls sieht das Germanistik-Studium hierfür jedoch bisher kaum Erfahrungsfelder vor.

Mit dieser Ausgangssituation hat sich das Projektseminar als ein Pilotprojekt verstanden, die Vermittlung von Schreibkompetenzen im Germanistik-Studium stärker zu fördern. Es lag nahe, dies mit einem Blended Learning-Senario umzusetzen, da die Studierenden einerseits über wikipedia, facebook, twitter, instagram etc. mit dem Internet als besonderem Textraum vertraut sind, dieser virtuelle Textraum jedoch stets von der analogen Realität aus generiert wird.

Ziele und Zielgruppe

In der ersten Phase im Sommersemester 2014 richtete sich das wiki-Projekt ausschließlich an Studierende der Germanistik. In der zweiten Phase wurden auch Studierende aus der Kunstgeschichte einbezogen, da Schreiben auch hier eine Kernkompetenz des wissenschaftlichen Arbeitens darstellt und das gewählte Themenfeld interdisziplinäres Arbeiten zuließ.

Die Verknüpfung von analogen Präsenzphasen und eLearning-Phasen bildete die Basis des Lehrprojektes. Die Studierenden sollten Impulse aus den analogen Phasen erhalten, die sie im digitalen Prozess vertiefen und einarbeiten konnten und vice versa. Zugleich wurde mit der Erstellung eines wikis ein Format gewählt, mit dem die Studierenden vertraut sind. Nachfragen ergaben zwar, dass bisher keiner der Teilnehmer einen wiki-Artikel verfasst hatte, über facebook, instagram, twitter etc. waren die meisten jedoch an die Textproduktion im Internet bereits gewöhnt. Die Seminare, in denen das Wiki-Lehrprojekt durchgeführt wurde, waren vornehmlich Seminare für Studienanfänger, so dass mit der Produktion des Wiki-Artikels erste Kenntnisse wissenschaftlichen Schreibens vermittelt wurden.

Umsetzung

Im Verlauf der beiden Projektphasen (SS 2014 und WS 2014/15) wurde das Vorgehen optimiert, so dass es sich für den Einsatz im ‚Lehr-Alltag’ besser eignet. Optimierungsbedarf zeigte sich nach dem ersten Durchlauf vor allem im Zeitmanagement sowohl auf Seiten des Dozierenden als auch auf Seiten der Studierenden. Die folgenden Zeilen beschreiben die optimierte Durchführung:

Präsenzphasen: Erarbeitung der Seminartexte und des Begleitmaterials, Impulsvorträge durch die Dozierenden zum Themenbereich, kleinere Gruppenarbeiten mit Abschlusspräsentationen (nicht über zwei Seminarsitzungen hinaus), Einführung in die wiki-Software, Vermittlung von Lektoratsgrundkenntnissen und anschließendes gegenseitiges Lektorat der wiki-Artikel

eLearning: Bereitstellung einer Liste möglicher Themen für das wiki, ggf. Rücksprache per mail über weitere Themen, Erarbeitung der wiki-Artikel in einer ersten Phase auf der Plattform „wikifarm“ der Heinrich-Heine-Universität, Überarbeitung und Fertigstellung der wiki-Artikel

Vorgehen der Wiki-Erstellung: Nach einer eingehenden Einführung in Lexikonartikel als Textsorte erfolgte eine Absprache über relevante Themen und Texte für das jeweilige Wiki-Projekt sowie die Struktur. Im PC-Pool der Heinrich-Heine-Universität wurde die Arbeit mit der Software eingeübt. Im Anschluss erstellten die Studierenden erste Fassungen ihrer wiki-Artikel und stellten sie zu einem vorgegebenen Zeitpunkt im wikifarm-Portal online. Im Seminar wurden parallel hierzu Lektoratsgrundkenntnisse vermittelt. Diese wurden in einer weiteren Präsenzphase auf die wiki-Artikel angewendet, wobei jeder den Artikel eines Kommilitonen bearbeitete, nicht den eigenen Text. Die Tipps, Hilfestellungen, etc., die sich aus dem Lektorat ergaben, wurden anschließend in einer weiteren eLearning-Phase bis zur Abgabe des Artikels eingearbeitet.

Ergebnisse und Ausblick

Positive Impulse:

  • Die Rückmeldung der Studierenden nach der ersten Testphase zeigt die positive Annahme des Modells zur Heranführung an das wissenschaftliche Schreiben
  • Die Vermittlung professioneller Lektoratskenntnisse wurden ausgesprochen positiv gewertet und für den zweiten Testlauf WS 2014/15 ausgeweitet, so dass das gegenseitige Lektorat die Qualität der wiki-Artikel deutlich hob
  • Obwohl es sich bei dem Großteil der Studierenden um ‚digital natives’ handelte, hatten nur zwei Studierende Erfahrungen in der Programmierung von Hompages und html. Die Erarbeitung der software legte hier erste Grundkenntnisse. Das wurde nach anfänglicher Skepsis sehr positiv aufgenommen
  • Das Projekt vermittelte ein Gemeinschaftsgefühl, da man zusammen an einem Thema und einem Resultat arbeitete, das schlug sich insgesamt in der Seminarstimmung nieder
  • Die Koordination von mehreren Seminaren und Vorlesungen zu einem wiki-Thema erwies sich als sinnvoll, so konnte ein Thema zugleich von verschiedenen Seiten betrachtet werden
  • Generell zeigte sich, dass die Studierenden mit großer Lust an den Übergangsszenarios zwischen virtuell und analog teilnahmen
  • Die Resultate des zweiten wiki-Themas „Moderne“ waren insbesondere in dem kunstgeschichtlichen Seminar von hoher Qualität und werden im Rahmen einer Tagung über „Verortung der Moderne. Wissenschaft, Institutionen, Begriffe“ im November 2015 dem Wissenschaftsdiskurs zur Verfügung gestellt.

 Herausforderungen und Kritik

  • unter den Teilnehmern gaben weniger als 10 Personen an, bereits Erfahrungen mit website-Programmierung gesammelt zu haben. Für die Bearbeitung der Artikel über wikifarm bedurfte es allerdings weniger Grundkenntnisse von z.B. html-codes zur Erstellung der Artikel. Diese Kenntnisse ließen sich problemlos und mit geringen Hilfestellungen in einer Präsenzphase vor dem PC (PC-Pools der HHU) vermitteln. Für die berufliche Zukunft der Studierenden ist ein Grundverständnis der Websiteerstellung in jedem Fall ein sehr positiver Impuls
  • Zu Beginn der zweiten Testphase im Oktober 2014 entstanden durch das neue Hochschulgesetz NRW veränderte Rahmenbedingungen. Vor allem die aufgehobenen Anwesenheitspflichten wirkten sich auf das Lehrprojekt aus, indem nun bei gleicher Anmeldung eine deutlich geringere Anzahl an Studierender erschien und die Teilnehmer zwischen den einzelnen Sitzungen stark variierten. Insgesamt zeigte sich, dass für das hier vorliegende Blended Learning-Szenario eine reduzierte Teilnahme hinderlich ist.
  • Ein erster Ansatz, die Wiki-Artikel der Studierenden vor der Veröffentlichung nochmal professionell zu lektorieren, erwies sich als zu zeitaufwändig, auch wenn der erste Gedanke, die Arbeit der Studierenden entsprechend zu wertschätzen durchaus Anerkennung fand und die Simulation eines professionellen Berufsraumes dadurch runder war.
  • Der Aufwand bei der Themenabsprache ist nach wie vor von großem Aufwand. Hier wäre möglicherweise eine Themenverteilung über doodle oder so ähnlich sinnvoll bei einem weiteren Durchlauf.

 Einbindung der wikis in den Wissenschaftsdiskurs

  • das wiki-Projekt „Orte der Utopie“ ist eingebunden in die virtuelle Ausstellung „Orte der Utopie. Theater und Raumkonzepte in Zeiten des Krieges. Ein Europaprojekt“, Kooperationsprojekt zwischen dem Institut „Moderne im Rheinland“ an der Heinrich-Heine-Universität, dem Theatermuseum Düsseldorf und dem Landschaftsverband Rheinland im Dezernatsprojekt „1914 – Mitten in Europa“ – www.ortederutopie.eu
  • das wiki-Projekt „Moderne“ wird auf der Tagung „Verortung der Moderne. Begriffe, Institutionen, Wissenschaft“, eine Kooperationsveranstaltung zwischen dem Institut „Moderne im Rheinland“ an der Heinrich-Heine-Universität und der Fritz Thyssen Stiftung vorgestellt
Verantwortlichkeit: