Zum Inhalt springenZur Suche springen

YOUniversity

Ausgangslage

YOUniversity ist ein Online-Partizipationsinstrument, das die Mitsprache und Mitgestaltung an Seminarinhalten ermöglicht. Mittels einer Online-Plattform können die Studierenden über Themen und Inhalte diskutieren, eigene Vorschläge einbringen oder gemeinsam Ideen sammeln. Damit bewegt sich das Beteiligungsprojekt im Spagat zwischen Partizipation und didaktischer Lehrgestaltung: YOUniversity kann einerseits von Dozierenden eingesetzt werden, die ein digitales Instrument zur Seminarvorbereitung ausprobieren möchten, anderseits kann die Plattform Studierenden ein Interaktionsmodul anbieten, um eigene Wünsche und Ideen in den Seminarplan einzubringen. Die Interaktion fördert hierbei den Austausch zwischen Studierenden und Dozierenden sowie zwischen den Studierenden untereinander.

Bereits im Sommersemester 2016 wurde YOUniversity im Zuge einer ELFF-Förderungsrunde in drei ausgewählten Seminaren der philosophischen Fakultät realisiert. Zwar konnte die generelle Durchführbarkeit eines Online-Partizipationsprojekts in dieser Phase bestätigt und das Ziel qualitativer Beiträge erreicht werden, dennoch blieb die (freiwillige) Beteiligung der Studierenden hinter den Erwartungen zurück. Während einer erneuten ELFF-Förderung sollten schließlich Maßnahmen erprobt werden, die eine höhere Beteiligung der Studierenden beeinflussen können. Hierzu wurden zunächst drei verschiedene Beteiligungsformate als Grundlage studentischer Partizipation entwickelt, die in den unterschiedlichen Seminaren eingesetzt wurden:

  • Diskussionsschwerpunkte
  • Themenvorschläge
  • Ideen sammeln und bewerten

 Das jeweilige Beteiligungsformat wird mit den Dozierenden ausgewählt und ggf. an die Anforderungen des Seminars angepasst, was allerdings zu einem hohen zeitlichen Aufwand der individuellen Vorbereitung des Beteiligungsprozesses führen kann.

Ziele und Zielgruppe

YOUniversity verfolgt das grundlegende Ziel, mittels einer Online-Plattform die Mitgestaltung neuer Lerninhalte zu ermöglichen. Die Studierenden nehmen hierbei Bezug auf die Kommentare ihrer KommilitonenInnen, reagieren auf gegenteilige Positionen oder setzen eigene thematische Impulse. Damit fördert der partizipative Diskurs wichtige Kompetenzen, wie die bewusste und selbstständige Auseinandersetzung mit der Thematik sowie die Recherche relevanter Kursinhalte und Literatur. Die Mitbestimmung unterstützt so den explorativen Umgang mit dem vorgegebenen Lernmaterial.

Als spezifisches Ziel der Förderungsrunde sollte die aktive Beteiligung der Studierenden erhöht werden. Dabei sollte die Qualität der Beiträge allerdings beibehalten werden. Die Zielgruppe setzte sich aus ca. 200 Studierenden unterschiedlicher Fakultäten zusammen, von denen sich 170 Studierende auf der Plattform registrierten.

Überblick zu den beteiligten Seminaren sowie das Beteiligungsformat:

  • Macht, Status, Geschlecht; Herr Dr. Tranow; Institut für Sozialwissenschaften (Themenvorschläge)
  •  Funktionale Programmierung; Herr Dr. Bendisposto, Institut für Informatik (Ideen)
  • Gesundheitssoziologie; Frau Hassan; Institut für Sozialwissenschaften (Diskussionsschwerpunkte und Themenvorschläge)
  • Philosophie im Film; Frau Timm; Studium Universale (Ideen)

Umsetzung

Auf den Erkenntnissen der ersten Förderungsphase aufbauend, wurden in den ausgewählten Seminaren der zweiten Projektrunde verschiedene Maßnahmen durchgeführt, um die Beteiligung zu erhöhen. Zum einen wurden Formate mit je unterschiedlicher Zieldefinition eingesetzt. Diese Beteiligungsformate unterscheiden sich zwischen den formulierten Anforderungen sowie dem Aufwand für die Studierenden.

Erläuterungen der unterschiedlichen Beteiligungsformate:

  1.  Diskussionsschwerpunkte:
    Die Dozierenden geben das Leitthema, die dazugehörige Literatur sowie eine allgemeine Fragestellung zur Thematik vor. Die Studierenden können auf Basis der Thematik nun diskutieren, welche Aspekte sie für eine Bearbeitung innerhalb des Seminars als wichtig erachten. Vor der eigentlichen Seminarsitzung wurden die Kernaussagen, Schwerpunkte der Diskussion sowie die jeweiligen Standpunkte zusammengefasst und online gestellt.

  2. Themenvorschläge:
    Die Dozierenden bieten den Studierenden die Möglichkeit, eigene Vorschläge für die Ausgestaltung einer Seminarstunde einzubringen. Hierzu werden im Vorfeld spezifische Anforderungen für einen Themenvorschlag definiert, wie die Suche nach weiterführender Literatur sowie der Formulierung einer eigenständigen Fragestellung.

  3. Ideen sammeln und bewerten:
    Die Studierenden schlagen zu einem von den Dozierenden festgelegten Thema Ideen vor, die in einem weiteren Schritt von den Studierenden bewertet werden. Die TeilnehmerInnen sammeln zunächst Vorschläge, können diese gegebenenfalls diskutieren und abschließend bewerten. Die Anforderungen an die Ideen sind geringer als an Themenvorschläge, aber insbesondere dafür geeignet, Vorschläge effizient zu sammeln, um eine Auswahl für das Seminar zu treffen.

Zum anderen war die Beteiligung auf der Plattform in einem Seminar die Voraussetzung für einen Beteiligungsnachweis. In einem weiteren Seminar konnte per Themenvorschlag eine alternative Leistung erbracht werden. Selbstverständlich hat die Mindestanforderung eines Beteiligungsnachweises einen entscheidenden Einfluss auf die Aktivität der Studierenden, inwiefern sich dies auf die Qualität der Beiträge auswirkt, wird im folgenden Abschnitt diskutiert. 

Evaluation

Im Hinblick auf das grundlegende Ziel, die Beteiligung der Studierenden zu erhöhen, konnten in der zweiten Förderungsrunde deutlich mehr TeilnehmerInnen zur Partizipation aktiviert werden als in der Projektphase zuvor. So registrierten sich 170 Studierende, die mehr als 400 Beiträge oder Vorschläge auf der Plattform veröffentlichten (eine detaillierte Übersicht findet sich im Anhang). Damit liegt die Quote der mindestens passiven Beteiligung (in Form einer Registrierung) mit 85 Prozent bereits deutlich höher als im vorherigen Semester (35 Prozent). Neben den unterschiedlichen Formaten, die im Vorfeld erarbeitet wurden und einen Arbeitsauftrag an die Studierenden formulieren sollten, führen wir die höhere Beteiligung auf folgende Maßnahmen zurück:

  • Höhere Verbindlichkeit durch Online-Beteiligung als Teil eines Leistungsnachweises
  • Verbesserter zeitlicher Ablauf unter Einbezug der Sitzungen und einem kürzeren Beteiligungszeitraum
  • Automatisierung des Registrierungsprozesses
  • Stärkere Verknüpfung zwischen Online-Diskussion und Seminar

In den Nachbesprechungen, die den Studierenden und Dozierenden der beteiligten Seminare zur Reflexion der Plattform angeboten wurden, wurde insbesondere im Seminar „Gesundheitssoziologie“ betont, dass eine stärkere Auseinandersetzung mit der Seminarthematik im Zusammenhang mit der Beteiligungsplattform steht. Auch die anschließende Evaluation bestätigt diese Tendenz. So ist die Zustimmung bei den Studierenden im Seminar „Gesundheitssoziologie“ zum explorativen Umgang tendenziell höher als in den Seminaren, in denen andere Formate eingesetzt wurden. Den Einfluss auf einen explorativen Umgang führen wir dabei auf eine tendenziell höhere Zustimmung bei den Fragen, ob die Beteiligungsplattform die Lernmotivation, die Auseinandersetzung mit der Thematik sowie das Interesse an der Thematik beeinflusste, zurück. Dass die Diskussion über thematische Schwerpunkte einer Sitzung den explorativen Umgang fördert, ist nicht überraschend, schließlich setzen sich die Studierenden während einer Diskussion mit unterschiedlichen Standpunkten auseinander. Sie reflektieren kritisch die eigene Argumentation, lassen sich ggf. von ihren KommilitonInnen überzeugen oder untermauern ihren eigenen Beitrag mit externen Informationen wie Links zu Zeitschriftenartikeln o.ä.. Diese Eckpunkte einer aus unserer Perspektive diskursiven Partizipation, sind in einer realen (Online-)Diskussion nicht durchgehend zutreffend. So sind gerade zu Beginn eines Partizipationsverfahrens die Diskursstränge weniger durch eine wechselseitige Bezugnahme als vielmehr durch den Austausch eigener Standpunkte gekennzeichnet. Dieser Problematik konnte durch eine wiederholte Thematisierung der Anforderungen und Ansprüche an einer Online-Diskussion innerhalb des Seminars begegnet werden, sodass die Qualität der Beiträge deutlich stieg und auch die TeilnehmerInnen sich zufrieden mit der Diskussion auf der Plattform zeigten. So erachteten in der anschließenden Befragung 2/3 der Studierenden die Diskussion auf der Plattform als sinnvoll. Aus den Erkenntnissen des Beteiligungsformats fördern folgende Rahmenbedingungen den partizipatorischen Diskurs:

  • Die Studierenden müssen über die Anforderungen einer Diskussion informiert sein, d.h. Kriterien einer qualitativen Diskussion müssen im Vorfeld definiert werden und für die Studierenden eindeutig sein, sodass sie sich beim Verfassen der eigenen Beiträge hieran orientieren können.
  • Die Fragestellung muss ein gewisses Maß an Kontroversität bieten, sodass unterschiedliche Positionen zu einem Thema eingenommen werden können.
  • Ein fester Zeitrahmen muss gegeben sein

Weniger diskutierten die Studierenden über Themenvorschläge oder Ideen. Im Seminar „Macht, Status, Geschlecht“ hatten die Studierenden die Möglichkeit, zwei Seminarthemen für offene Stunden vorzuschlagen. Etwa die Hälfte der Studierenden (30 Studierende insgesamt im Seminar), formulierte einen eigenen Themenvorschlag, um einen Beteiligungsnachweis zu erhalten. Damit keine Vorschläge aufgrund der zeitlichen Veröffentlichung bevorzugt werden, hatten die Studierenden in einer zweiten Phase nochmals fünf Tage Zeit, um die jeweiligen Vorschläge zu bewerten. Für ein möglichst detailliertes Meinungsbild, wurden die Studierenden zusätzlich aufgefordert, alle Beiträge mit „Zustimmung“ oder „Ablehnung“ zu beurteilen. Zwei aus insgesamt 16 Vorschlägen wählten die Studierenden schließlich aus.

Eine hohe Aktivität wurde auf der Plattform für das Seminar „Philosophie im Film“ festgestellt. Das Seminar war zu Beginn auf die gemeinsame Erarbeitung einer Filmauswahl sowie den passenden philosophischen Kontext ausgelegt. Die Beteiligungsphase wurde hierzu in zwei Abschnitte unterteilt: Auf der Beteiligungsplattform konnten die TeilnehmerInnen zunächst Filmvorschläge äußern und mit einem philosophischen Kontext verbinden. Die zehn Vorschläge, die die meisten Bewertungen bekamen (positive wurde dabei mit negativen Bewertungen verrechnet) wurden in einem zweiten Schritt erneut zur Abstimmung gegeben, sodass letztendlich sechs Vorschläge für die erste Hälfte des Seminars erarbeitet wurden. Dieser Prozess wurde nach fünf Wochen erneut wiederholt, um Vorschläge auszuwählen. Mit über 60 Vorschlägen war die Beteiligung in der ersten Phase deutlich höher als in der zweiten (etwa 15 Vorschläge). Mehr als die Hälfte der Studierenden im Seminar beteiligte sich auf der Plattform, indem sie mindestens einen Vorschlag bewerteten. Dabei wurden insgesamt mehr als 300 Bewertungen verzeichnet.

Zur Formulierung einer Problemstellung für eine Abschlussarbeit wurden die Studierenden in der Vorlesung „Funktionale Programmierung“ aufgefordert. Zur Orientierung, welche Anforderungen eine Problemstellung zu erfüllen hat, wurden auf der Plattform zwei Beispiele veröffentlicht. Zwar war die Beteiligung mit lediglich fünf Vorschlägen gering, sodass die Frage aufkommt, ob dies auf ein fachspezifisches Problem zurückzuführen ist. Nichtsdestotrotz konnte die Beteiligung auch hier die Zielsetzung erfüllen, einen studentischen Vorschlag als spätere Abschlussarbeit zu übernehmen.

Aus den Erkenntnissen der weiteren drei Seminare, folgern wir für die Durchführung von Vorschlägen zur Seminarthematik sowie zur Sammlung von Ideen, ähnliche Voraussetzungen:

  • Die Studierenden müssen über Umfang und Anforderung eines Vorschlags oder einer Idee informiert werden. Ggf. sollten Rückfragen im Seminar möglich sein
  • Niederschwellige Beteiligungsfunktionen, wie die Möglichkeit zur Abstimmung
  • Die thematische Offenheit zur Beteiligung muss gegeben sein

Schlussendlich wurden in der Projektphase nicht nur quantitative Unterschiede zur ersten Projektrunde festgestellt, sondern auch qualitativ zwischen den Beteiligungsformaten. Kritisch muss beim Einsatz weiterhin die zeitlich intensive Betreuung seitens der Projektgruppe betrachtet werden, die neben der Vorbereitung und Vorstellung auch den Nutzer-Support betrifft. Relevant für das grundlegende partizipatorische Ziel von YOUniversity ist weiterhin, dass Studierende seminarübergreifend einen Einfluss ihrer Beteiligung auf den Seminarplan wahrnehmen. Dies leiten wir aus der Zustimmung der Befragten ab, die mehrheitlich diese Aussage bestätigen.

Ausblick

Das spezifische Ziel einer erneuten Förderungsrunde besteht in der Anpassung des gegenwärtigen  Beteiligungsinstrumentes an die spezifischen Bedürfnisse von Lehrenden und Lernenden. Der bisher personalintensive Beteiligungsprozess soll so zu einem weitgehend eigenständigen Instrument weiterentwickelt werden, das eine weitere Option zu Ergänzung der bereits bestehenden didaktischen Instrumente (z.B. Illias, Abstimmsysteme) darstellt. Dazu soll ein didaktischer Leitfaden entwickelt werden, der den Dozierenden die Möglichkeiten und Grenzen des Verfahrens darlegt, um YOUniversity sinnvoll einzusetzen.

Verantwortlichkeit: