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Selbstgesteuerte Lernzielkontrolle

Ausgangssituation

Vorlesungsbegleitende Selbsttestfragen sind eine E-Learning-Maßnahme, von der man begründet vermuten darf, dass sie tatsächlich positive Wirkungen hat (s. insbesondere Ziel 1 im folgenden Abschnitt). Die Erfahrungen aus den letzten Jahren zeigen, dass dieses Instrument bei den Studierenden ausgesprochen viel Anklang findet. Wo vorlesungsbegleitende Selbsttestfragen vorhanden sind, werden diese rege und von den meisten Studierenden in der intendierten Art (vorlesungsbegleitend und nicht erst kurz vor der Klausur) genutzt und positiv evaluiert. Allerdings existierten im Fach Psychologie bisher nur Selbsttestfragen für Vorlesungen des B.Sc.-Studiengangs. Auf ausdrücklichen Wunsch der Studierenden im M.Sc.-Studiengang Psychologie hin werden im Rahmen dieses Projekts nun auch vorlesungsbegleitende Selbsttestfragen für die M.Sc.-Vorlesung »Kognitive Psychologie und Ergonomie« entwickelt und im Wintersemester 2015/2016 erstmals eingesetzt.

Ziele & Zielgruppen

Erstes Ziel ist es, den Studierenden, die die M.Sc.-Vorlesung »Kognitive Psychologie und Ergonomie« besuchen, einen Anreiz zur veranstaltungsbegleitenden Lernkontrolle zu bieten: Zu jedem Vorlesungsthema werden Selbsttestfragen erstellt, mit denen nach einer Vorlesung geprüft werden kann, wie gut verfügbar das Wissen aus der Vorlesung ist. Warum ist eine veranstaltungsbegleitende Lernkontrolle wichtig? Wissenschaftlich ist seit langem sehr gut belegt, dass der Wissenserwerb effizienter und erworbenes Wissen länger abrufbar ist, wenn verteilt über eine größere Zeitspanne (hier: mehrere Monate veranstaltungsbegleitend) und nicht massiert (hier: wenige Tage kurz vor einer Prüfung) gelernt wird (z.B. Baddeley & Longman, 1978; Bahrick, Bahrick, Bahrick, & Bahrick, 1993; Bahrick & Phelps, 1987; Greene, 1989). Außerdem zeigt eine Vielzahl von Befunden, dass insbesondere das Langzeitgedächtnis davon profitiert, wenn ein Teil der Lernzeit dafür verwendet wird, den Abruf der zu erinnernden Information einzuüben. Der Abruf von Informationen erweist sich im Vergleich zu dem wiederholten Lesen dieser Informationen als deutlich überlegene Lernstrategie (z.B. Marsh, Agarwal, & Roediger, 2009; Marsh, Fazio, & Goswick, 2012; Marsh, Roediger, Bjork, & Bjork, 2007; Roediger & Karpicke, 2006a, 2006b).

Das zweite Ziel ist die direkte und differenzierte Rückmeldung über den eigenen Wissensstatus. Werden die Vorlesungsinhalte lediglich mehrfach gelesen, der Abruf der Informationen aber nicht aktiv eingeübt, wird der eigene Wissensstand oft falsch eingeschätzt, weil die Inhalte gut wiedererkannt werden, aber dennoch nicht auf geeignete Hinweisreize (z.B. Klausurfragen) wiedergegeben werden können. Mit Hilfe der Selbsttestfragen üben die Studierenden, die Lerninhalte aktiv abzurufen. Das soll den Studierenden helfen, ihren Wissenstand realistisch einzuschätzen und ihre Lernanstrengungen besser an ihr erreichtes Wissen anzupassen.

Das dritte Ziel ist die individuelle Kompensation von Wissensunterschieden in der sehr heterogenen Gruppe der M.Sc.-Psychologie-Studierenden, die teilweise von der HHU, teilweise von verschiedenen anderen Universitäten mit jeweils anderen Schwerpunktsetzungen kommen. Alle Studierenden können hervorragende Leistungen vorweisen, aber ihr Wissensstand in den Bereichen »Kognitive Psychologie und Ergonomie«, wofür die Selbsttestfragen erzeugt werden, ist sehr verschieden.

Umsetzung

Es wurde zwischen Mai und September 2015 ein umfassender Satz von Selbsttestfragen erstellt, die die Studierenden der Vorlesung »Kognitive Psychologie und Ergonomie« im M.Sc.-Studiengang Psychologie im Laufe des Wintersemesters 2015/2016 veranstaltungsbegleitend bearbeiten sollen. Mit ILIAS steht für diese Aufgabe ein ausgesprochen mächtiges Werkzeug zur Verfügung. Die Beantwortung der Fragen ist anonym und unterliegt nur der Kontrolle der Studierenden selbst. Für die Selbsttestfragen wurden viele unterschiedliche Formate (z.B. Lückentext, Mehrfachauswahl, Zuordnungsaufgabe) gewählt, die auch später in der Klausur verwendet werden. Das soll die Beantwortung der Fragen lebhaft gestalten.  Außerdem erlaubt es den Studierenden, den Abruf von Wissen auf verschiedene Weise einzuüben. Die Studierenden erhalten eine direkte Rückmeldung über die Richtigkeit der Antwort und eine detaillierte Erklärung der korrekten Lösung. Außerdem ist eine Zusammenfassung der Gesamtleistung verfügbar. Die Selbsttestfragen werden ab Modulbeginn freigeschaltet, und die Studierenden werden in der Einführungsveranstaltung auf das Angebot aufmerksam gemacht.

Ergebnisse & Ausblick

Die Selbsttestfragen wurden von den Studierenden intensiv genutzt. Insgesamt 113 Studierende, die für
die Vorlesung angemeldet waren, haben die Tests mindestens einmal bearbeitet; 85% der Studierenden,
die an einer die Vorlesung abschließenden Befragung teilnahmen, gaben an, die Fragen sogar mehrfach
bearbeitet zu haben. Um die Nützlichkeit der Selbsttestfragen zu erfassen, haben wir die Studierenden
gebeten anzugeben, ob weiter Geld und Energie in die Selbsttestfragen investiert werden sollte oder nicht. Wichtig ist hierbei, dass die Studierenden nicht über einen Dienst für sich selbst, sondern für die nachfolgende Generation von Studierenden urteilten (»Sollen die Selbsttestfragen im Modul E »Kognitive Psychologie und Ergonomie« beibehalten und weiter gepflegt werden?«). Mit anderen Worten: Ausgehend von ihren eigenen Erfahrungen beurteilten die Studierenden, wie nützlich die Selbsttestfragen für andere Studierende sein werden. Die folgende Abbildung illustriert die Verteilung der Urteile (N = 60).

Literatur

Baddeley, A. D., & Longman, D. J. (1978). The influence of length and frequency of training session on the rate of learning to type. Ergonomics, 21, 627-635.

Bahrick, H. P., Bahrick, L. E., Bahrick, A. S., & Bahrick, P. E. (1993). Maintenance of foreign language vocabulary and the spacing effect. Psychological Science, 4, 316-321.

Bahrick, H. P., & Phelps, E. (1987). Retention of Spanish vocabulary over 8 years. Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory, and Cognition, 13, 344-349.

Greene, R. L. (1989). Spacing effects in memory: Evidence for a two-process account. Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory, and Cognition, 15, 371-377.

Marsh, E. J., Agarwal, P. K., & Roediger, H. L., III. (2009). Memorial consequences of answering SAT II questions. Journal of Experimental Psychology: Applied, 15, 1-11.

Marsh, E. J., Fazio, L. K., & Goswick, A. E. (2012). Memorial consequences of testing school-aged children. Memory, 20, 899-906.

Marsh, E. J., Roediger, H. L., III, Bjork, R. A., & Bjork, E. L. (2007). The memorial consequences of multiple-choice testing. Psychonomic Bulletin & Review, 14, 194-199.

Roediger, H. L., III, & Karpicke, J. D. (2006a). The power of testing memory: Basic research and implications for educational practice. Perspectives on Psychological Science, 1, 181-210.

Roediger, H. L., III, & Karpicke, J. D. (2006b). Test-enhanced learning: Taking memory tests improves long-term retention. Psychological Science, 17, 249-255.

Verantwortlichkeit: