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Interaktives Seminar mit integrierter Methodikschulung

Hintergrund

Das moderne juristische Studium ist stark praxisorientiert, vgl. § 7 Abs. 2 S. 1 JAG NRW

Die Inhalte des Studiums berücksichtigen die rechtsprechende, verwaltende und rechtsberatende Praxis einschließlich der hierfür erforderlichen Schlüsselqualifikationen wie Verhandlungsmanagement, Gesprächsführung, Rhetorik, Streitschlichtung, Mediation, Vernehmungslehre und Kommunikationsfähigkeit.

Dies bedeutet, dass bereits in der Universität Prüfungen fast ausschließlich aus der Lösung juristischer Fällen bestehen. Wissenschaftliche Textarbeit gehört demgegenüber nur eingeschränkt zu den herkömmlich im Studium geforderten Fähigkeiten. Raum gewähren hierfür fast ausschließlich Seminare (§ 12 der Studienordnung für den Studiengang Rechtswissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf). Dabei zeigt sich allerdings vielfach, dass den Studierenden bereits grundlegende Fertigkeiten fehlen. Dies beginnt mit dem Umgang mit einer modernen Textverarbeitung (Fußnoten setzen, Literaturverzeichnis und Gliederung erstellen) und reicht über Schwierigkeiten bei der Literaturrecherche in den zahlreichen Onlinedatenbanken bis hin zum völligen Fehlen von Organisation und Zeitplanung. Hinzu tritt das vielfach fehlende Abstraktionsvermögen sowie die Unfähigkeit zur sachlichen Kritik an längeren wissenschaftlichen Texten. Aufgrund der stark formalisierten juristischen Fallprüfungstechnik fehlt zudem oft Erfahrungen im Strukturieren und Formulieren wissenschaftlicher Texte.

Unabhängig davon, dass es sicherlich generell wünschenswert ist, solche Fähigkeiten in einem universitären Studium zu fördern, können entsprechende Fähigkeiten den Studierenden aber auch in ihrem weiteren Studienverlauf und ihrer späteren beruflichen Tätigkeit nützen. Auch im jurististischen Berufsfeld erlangen Gutachten zu Rechtsfragen zunehmend Bedeutung; im interdisziplinären Dialog ist ein gemeinsamer Ausgangspunkt unverzichtbar. Gleichzeitig wird zunehmend auf eine stärker wissenschaftliche Gestaltung des juristischen Studiums gedrängt, die sich derzeit auch in der Gestaltung der universitären Schwerpunktprüfungen äußert. Der Umgang mit den technischen Werkzeugen ist schließlich auch beim Verfassen von Falllösungen und bei der eigenen Nacharbeit von Lehrveranstaltungen hilfreich.

Gleichzeitig sollte das Seminar auch einigen in der einschlägigen fachdidaktischen Literatur bemängelten Negativaspekten des juristischen Studiums begegnen. Es sollte fachsemesterübergreifend den Dialog zwischen den Studierenden fördern, Kooperation und wechselseitige Kritik unterstützen sowie gleichzeitig die nötigen Freiräume gewähren, um eigene Ideen umzusetzen.



Herangehensweise

Während Seminare sich traditionell an Studierende am Ende des Grundstudiums (5. Semester) richten, war die Veranstaltung ausdrücklich für Teilnehmer/innen aus allen Jahrgängen geöffnet. Ziel war dabei, die unterschiedlichen Vorkenntnisse zu kombinieren, so dass alle Beteiligten von verschiedenen Perspektiven profitieren konnten. Mit über 40 Anmeldungen wurde die Veranstaltung allerdings erheblich größer als erwartet, so dass besondere Sorgfalt auf die technische und organisatorische Abwicklung investiert werden musste.

Aufgrund der verschiedenen Stundenpläne wurden Besprechungen soweit möglich online per Adobe Connect angeboten; die Teilnehmer/innen konnten sich insoweit zuschalten. Neben einer für alle angebotenen Einführung in die Technik gab es hierzu „Online-Sprechstunden“. Die entsprechenden Sitzungen wurden mit Ausnahme von Einzelberatungen aufgezeichnet und konnten so auch nachträglich noch angesehen werden. Dank der ScreenCast-Funktion von Adobe Connect war es möglich, die Bedienung von Word sowie von Online-Datenbanken am lebenden Exempel zu illustrieren. Zudem konnten Dateien und Links in Echtzeit ausgetauscht werden. Die meisten Teilnehmer beschränkten sich auf eine Teilnahme per Textchat, vereinzelt wurde aber auch Audio- oder gar Videoconferencing genutzt.

Neben dieser synchronen Kommunikation wurde in großem Umfang auch die Möglichkeit zu asynchronem Austausch per Email gefördert. Dabei gab es automatisch erstellte Erinnerungen an Fristen, Bestätigungen für eingegangene Arbeiten ebenso wie manuell erstellte Hinweisnachrichten. Gleichzeitig wurde ein Archiv an Literaturauszügen (§ 52a UrhG) angelegt, in dem die Teilnehmer einschlägige Fachaufsätze sammeln und austauschen konnten.

Anders als bei herkömmlichen Seminaren mussten die Teilnehmer/innen Vorleistungen erbringen. Hierzu mussten sie (zweimal) sich kritisch mit fremden Texten auseinandersetzen und eine Kurzstellungnahme von zwei Seiten hierzu verfassen. Diese Beiträge wurden dann anonymisiert einem anderen Teilnehmer zur Korrektur, Kritik und Bewertung zugeschickt. Abschließend wurden sowohl der Beitrag als auch dessen Korrektur manuell vom Dozenten korrigiert und bewertet.

Für die Erstellung der eigentlichen, 25-seitigen Seminararbeit war ursprünglich eine begleitende Dokumentation in einem Blog bzw. einem ePortfolio-System vorgesehen. Darauf wurde jedoch auf vielfachen Wunsch verzichtet, da die Studierenden dies als zu aufwendig ablehnten. Im Nachhinein zeigte sich aber, dass trotz gesetzter Termine für Zwischenabgaben ein kontinuierliches Arbeiten nicht gewährleistet werden konnte; insoweit wird diese Herangehensweise künftig erneut zu prüfen sein.

In den abschließenden beiden Präsenzseminartermine musste ebenfalls jeder Teilnehmer eine fremde Arbeit vorstellen und sich mit dieser kritisch auseinandersetzen. Hierzu war nicht nur eine aufwendige Terminkoordination erforderlich, sondern es galt vor allem zu gewährleisten, dass die Teilnehmer jeweils Arbeiten zugewiesen bekamen, die inhaltlich ihrem jeweiligen Studienfortschritt entsprachen. Auch hier zahlte sich die ausgereifte elektronische Verwaltung der Teilnehmerdaten und Themen aus.

Technologisches Zwischenergebnis des Seminars ist eine Dokumentenaustausch- und Listenverwaltungsplattform, die es ermöglicht, Eingaben der Studierenden zuzuordnen; an versäumte Fristen zu erinnern und den Austausch von Dateien zur wechselseitigen Korrektur automatisiert. Leider ist derzeit ein direktes Bearbeiten der Texte im Browser nicht möglich; hierzu wird eine Anbindung an das Dozierendenportal (Microsoft Sharepoint) in Betracht gezogen.

Herausforderungen und Fazit

Das Seminar war in großen Teilen erfolgreich. Die Teilnehmer haben große Fortschritte in der Arbeitstechnik erzielt und eine wissenschaftlich-kritische Herangehensweise an fremde Texte erlernt. Gleichzeitig war eine deutlich intensivere und individuellere Betreuung möglich, als sie bei einer Veranstaltung dieser Größe ohne EDV-Einsatz hätte erzielt werden können.

Leider gab es allerdings auch erhebliche Schwierigkeiten. Im Dezember, nach Abgabe der zweiten Vorleistung, meldeten sich über 20 Personen von der Veranstaltung ab, so dass am Ende nur 20 Teilnehmer verblieben. Dies ist vor allem deshalb bedauerlich, weil einhellig die zu starke Arbeitsbelastung als Grund für die Absage genannt wurde. Vielfach war eine kritische Herangehensweise, aber auch die Zusammenarbeit mit anderen Studierenden noch unbekannt, so dass viel Zeit auf die Erarbeitung entsprechender Praktiken verwandt werden musste. Schließlich war die Nutzung von virtuellen Klassenzimmern vielfach nicht nur ungewohnt, sondern wurde auch als unpersönlich empfunden.

Dennoch sind die Ergebnisse des Seminars deutlich überdurchschnittlich; die von den Teilnehmer/innen gemachten Fortschritte sind bemerkenswert. Die Nutzung des Internet zur Verwaltung und Betreuung von auf Textarbeit ausgerichteten Seminaren ist daher sicherlich noch nicht perfekt, aber ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Betreuung und Förderung selbstständiger Lerntätigkeit.


Verantwortlichkeit: