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Webgeext und zoomgedreht: Erfahrungen aus der Online-Lehre (6)

Dr. Laura Bechtold ermöglicht ihren Studierenden mit einem einfachen Setup ein interaktives hybrides Seminar

Links: Hybrid-Setup mit einem Laptop, der auf einem Stuhl steht, der wiederum auf einem Tisch steht. au Zoom

Es muss nicht immer die ganz große Technik sein: Mit ihrem improvisierten Hybrid-Setup kann Dr. Laura Bechtold ihren Studierenden flexible Teilnahmemöglichkeiten bieten.

In unserer Reihe „Webgeext und zoomgedreht“ berichten Lehrende der HHU von ihren Erfahrungen mit der digitalen Lehre. Das Wintersemester 2021/22 erfordert von Lehrenden besonders viel Flexibilität. Das Dilemma: Einerseits will man Präsenz anbieten, andererseits Studierende nicht ausschließen, die aufgrund der Pandemie-Situation nicht auf den Campus kommen können. Dr. Laura Bechtold aus der Arbeitsgruppe für Biologische Psychologie hat es mit hybrider Lehre versucht und eine gute Lösung gefunden, die den technischen Aufwand gering hält. Den Studierenden ermöglichte das ein produktives Semester und den einen oder anderen gemeinsamen Kaffee auf dem Campus. Digitale Lernangebote sollten nach Meinung von Laura Bechtold auch nach der Pandemie genutzt werden, um das Lehren und Lernen flexibler zu gestalten. Im Interview berichtet sie von ihren Erfahrungen mit ihrem ersten hybriden Seminar.

 

Sie haben sich bereits zum Start des Wintersemesters dafür entschieden, ihr Seminar hybrid anzubieten. Wie kam es dazu?

Laura Bechtold: „Bereits“ – da musste ich schmunzeln – ich glaube, so spät wie dieses Semester habe ich noch nie das Lehrformat einer Veranstaltung festgelegt. Es gab eine lange Vorgeschichte und letztendlich haben die Modulverantwortlichen entschieden, alle Seminare im 3. Mastersemester in diesem Wintersemester doch noch einmal vollständig online anzubieten, mit „optionalen Präsenzlehrangeboten“, da es sich um einen Kurs mit praktischen Inhalten handelt. Das sollte den Studierenden entgegenkommen und auch denjenigen einen reibungslosen Studienablauf ermöglichen, die wegen Corona keine Wohnung in Düsseldorf hatten. Ich habe dann vor Beginn der Vorlesungszeit ein Meinungsbild bei meinen 14 Studis eingeholt und das Gefühl, das ich hatte, bestätigte sich: 11 von ihnen wollten unbedingt, komme was da wolle (Maske, Testpflicht, egal wie), Präsenzlehre. Und drei Studierende wünschten sich das auch, konnten aber aufgrund z.B. der Wohnsituation nicht an die Uni kommen. Tja, dann stehste da … Die Option der „Hybridlehre“ hing da ganz unheilvoll in der Luft … Um in diesen schwierigen Zeiten den Studis zumindest einmal das Gefühl von „Wünsch Dir was“ und Mitbestimmungsmöglichkeiten zu geben, habe ich mich für die Hybridlehre entschieden.

Wie sind die Rahmenbedingungen in Ihrem Seminar?

Laura Bechtold: Es ist eines von fünf parallelen Seminaren im Aufbaumodul Neurowissenschaftliche Psychologie im 3. Mastersemester. Die Studierenden wählen von drei Aufbaumodulen zwei und darin dann die Parallelgruppe, deren Thema sie am meisten interessiert. In einer davon unterrichte ich dieses Semester 14 Student*innen. Das Seminar geht über ein Semester und besteht aus den Blöcken Theorie, Praxis und Kommunikation zu neurowissenschaftlichen Untersuchungen. Bei mir entwickeln die Student*innen eine eigene Fragestellung zur semantischen Wortverarbeitung in einem echt coolen Paradigma, die sie mithilfe von vorhandenen EEG-Daten untersuchen und am Ende des Semesters mündlich und schriftlich präsentieren. Ich gebe in diesem Semester zum dritten Mal ein Seminar in diesem Modul – das erste war „damals“ vor Corona in Präsenz, das zweite vollständig online und das dritte nun hybrid. So wird es einem nie langweilig ;)

Wie haben Sie das hybride Seminar technisch realisiert?

Laura Bechtold: Ein bisschen wie MacGyver, mit Mucke und Spucke und viel Improvisation. Der Seminarraum ist kein Hörsaal, in dem mittlerweile für das live Streamen Kameras und Mikrofone installiert wurden. Also habe ich mit meinem Laptop mit Webcam, Headset, einer USB-betriebenen Leuchte und einem Stuhl, den ich auf einen Tisch gestellt habe, ein Stehpult improvisiert, um das Seminar live zu streamen (siehe Foto, #ratemysetup). Ein Beamer war ohnehin im Raum. Und ein Overheadprojektor als Relikt vergangener Zeiten … Das improvisierte Setup funktioniert ganz wunderbar. Die Leuchte kam später dazu, damit ich vor der bestrahlten Leinwand nicht nur eine schwarze Silhouette bin, da ich immer viel gestikuliere bei meinen Erklärungen. Für den Frontalunterricht am Anfang des Seminars war so alles geklärt.

Und wie haben Sie Interaktion im Seminar ermöglicht?

Laura Bechtold: Im Laufe des Semesters wird dieses Seminar sehr interaktiv und dynamisch. Die Option des „Moderierens“, bei dem ich alle Fragen wiederhole, die im Seminar- oder Webex-Raum gestellt werden, damit die Studis im jeweils anderen Format sie mitbekommen, kam daher nicht in Frage. Ich hatte das schon zu Anfang des Semesters erfragt und die Studierenden hatten tatsächlich alle ein Endgerät und Kopfhörer, sodass sie sich von zu Hause und aus dem Seminarraum in die live-Webex-Videokonferenz schalten können und alle miteinander reden können. Sonst hätte ich aber auch Laptops von unserer Abteilung zur Verfügung stellen können. So läuft es tatsächlich fast so reibungslos wie eine reine Präsenz- oder Online-Veranstaltung. Die Studierenden arbeiten viel in Teilgruppen, sowohl im Seminarraum (mit Maske versteht sich), in Webex-Teilgruppensitzungen oder auch hier hybrid. Mittlerweile haben wir uns auch freiwillig auf 2G+ geeinigt und machen alle vorher noch einen Schnell- oder Selbsttest. Mal sehen, ob Omikron uns das Semester so zu Ende bringen lässt!

Bedeutet die hybride Lehre für Sie einen großen Mehraufwand?

Laura Bechtold: Am Anfang des Semesters: ja! Ich musste doch vieles umstrukturieren; was ich zuvor schon in Präsenz oder online gemacht hatte, funktionierte in hybrid nur bedingt. Wir arbeiten dieses Semester viel mit kollektiven Dateien – ein digitales Whiteboard, das ILIAS-Forum, Google-Tabellen und Präsentationen … Wie und ob das klappt, haben meine Studis und ich nach dem Prinzip „learning by doing“ und mit Mut zur Lücke ausprobiert. Und es klappt! Auch wenn wegen mangelnder Erfahrungswerte die ein oder andere Seminarstunde 5 Minuten überzogen wurde. Mittlerweile läuft es fast wie von allein. Was aber auch die Struktur des Seminars hergibt.

Hätten Sie den Studierenden theoretisch auch einfach Aufzeichnungen oder Materialien zur Verfügung stellen können? Oder erfordert Ihr didaktisches Konzept das hybride Format?

Laura Bechtold: Dieses Seminar lebt vom Austausch und davon, dass ich die Student*innen da abhole, wo sie gerade sind und genau da den Input liefere. Die Studis betreiben empirische neuropsychologische Forschung und die ist nun mal nicht geradlinig. Es kommt doch immer anders, als man denkt. Und zumindest in unserem Fach forscht im wahren Leben keiner allein vor sich hin, es wird kollaboriert und gebrainstormt, was das Zeug hält. Das muss das Seminar widerspiegeln, sonst lehre ich an der Realität vorbei und verlange Dinge, die später niemand braucht. So lernen die Studierenden nicht nur, was sie für die Abschlussprüfung brauchen, sondern bekommen eine ganze Werkzeugkiste mit für ihre Masterarbeit und alles, was danach noch auf sie zukommt, falls sie in der Forschung bleiben. Und das wäre mit Aufzeichnungen nicht machbar gewesen.

Welche Methoden oder Tools nutzen Sie sonst noch, um die Studierenden vor Ort und zuhause interaktiv einzubinden?

Laura Bechtold: Wir haben ein digitales Whiteboard (Mural) zum brainstormen genutzt, eine Google-Tabelle zur Sammlung von Informationen aus Fachartikeln, das ILIAS Forum und eine Google-Präsentation, um uns über Fragestellungen und erwartete Ergebnismuster auszutauschen. Für organisatorische Entscheidungen nutze ich die Umfragenfunktion auf ILIAS, um das Seminar möglichst maßzuschneidern auf die Bedürfnisse meiner Studis.

Wie wird das Angebot von den Studierenden angenommen? Haben Sie den Eindruck, dass alle zufrieden sind mit der Lösung?

Laura Bechtold: Ich habe den Eindruck, alle sind happy, dass sie in der Form teilnehmen können, wie sie es brauchen. Wenn die Studierenden in Kleingruppen arbeiten, ist die Arbeit sehr lebhaft, alle tragen bei und ich sehe über den Masken lächelnde Augen. Wobei mir das Herz aufgeht ist, dass die Studierenden vor Ort vor und nach dem Seminar wieder ungezwungen miteinander reden können, sich auf einen Kaffee verabreden oder Lerngruppen bilden. Ich weiß allerdings auch, dass das Seminar noch nicht perfekt rund gelaufen ist. Angelehnt an einen Kult-Satz unser Alt-Kanzlerin: Die hybride Lehre ist für uns alle Neuland. Aber ich denke, besser hätte es bis jetzt nicht laufen können unter den gegebenen Umständen. Mir war wichtig, dass ich die Qualität der Lehre nicht reduzieren muss.

Würden Sie sagen, dass hybride Angebote ein Konzept mit Zukunft sind – auch unabhängig von der Pandemie?

Laura Bechtold: Wenn die Infrastruktur steht – auf jeden Fall. Nicht für jede Veranstaltung und auch nicht für jede Art von Inhalt. Aber ich denke, hybride Angebote können auch Präsenz-Unis wie die HHU bereichern, Abläufe geschmeidiger machen und individuellen Bedürfnissen entgegenkommen. Screencasts ermöglichen Studierenden, Inhalte zu skippen, die sie schon kennen oder zu wiederholen, was beim ersten Mal nicht richtig saß. Live Streaming ermöglicht Studierenden mit außeruniversitären Verpflichtungen, Zeit zu sparen, die sonst beim Pendeln draufgeht. Allerdings sind die logistischen und technischen Anforderungen groß, wenn die Präsenz- und Online-Lernangebote sich reibungslos ergänzen sollen. Durch die Pandemie waren die Hochschulen zu riesigen Fortschritten gezwungen, die haben wir jetzt stolpernd gemeistert, ohne in die Knie zu gehen. Aber genau das sind sie eben: FORTschritte. Hybride Lernangebote nach der Pandemie (wann immer das sein mag) völlig fallen zu lassen wäre in meinen Augen ein Rückschritt und wenig nachhaltig, weil es ohnehin in die Richtung geht. Aber es muss auch klar sein, dass nicht alles gleichzeitig, am besten direkt zu Semesterbeginn und querverlinkt in Präsenz, live gestreamt und als Screencast angeboten werden kann. Das ist etwas, das die Lehrenden nicht stemmen können, so gerne sie es auch ermöglichen würden.

Die Fragen stellte Elisabeth Scherer, Laura Bechtold anwortete per E-Mail

Weitere Infos zur Hybridlehre an der HHU finden Sie hier

 


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